Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Gekreißt und ein Mäuslein geboren
Heißa, was für ein Auftrieb! Da gehen weltweit Millionen Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße, da ringen die wichtigsten Politiker von Union und SPD tage-, ja wochenlang um Vorhaben, die Deutschland zum weltweiten Vorbild bei der CO2-Reduktion machen sollen. Das Klimathema erfährt die Aufmerksamkeit, die es schon längst – vielleicht etwas weniger hysterisch – verdient hätte.
Doch was ist herausgekommen bei der großen Wir-sind-alle-KlimaShow in Berlin? Ein Paket der wachsweichen Kompromisse, die niemandem so richtig wehtun, im Umkehrschluss aber auch nicht allzu viel bringen werden. Die „Menschheitsherausforderung“, wie Angela Merkel den Klimaschutz genannt hat, wird in ganz kleinen Schritten angegangen. Das passt zur Kanzlerin. Dumm ist nur, dass sich im Kampf gegen die Erderwärmung das Zeitfenster für sanfte Veränderungen längst geschlossen hat. Die Permafrostböden tauen schneller als selbst von Forschern erwartet, der Hitzetod der Wälder wurde nicht in dieser Geschwindigkeit prognostiziert. Um nur zwei Beispiele zu nennen.
Mit etwas Wohlwollen ließe sich sagen: Immerhin bewegt sich die Große Koalition, wenn sie versucht über Anreize und Kosten den CO2Ausstoß in Deutschland zu reduzieren. Doch letztlich hat die Regierung gekreißt und ein Mäuslein geboren. Da wird auf der einen Seite der Benzinpreis um drei Cent erhöht, auf der anderen Seite die Pendlerpauschale um fünf Cent. Was ist das für ein Anreiz? Auch ein Anfangspreis bei den Zertifikaten von zehn Euro für eine Tonne Kohlendioxid wird niemandem wirklich wehtun.
Vielleicht finden enttäuschte Klimaschützer Trost im Gedanken, dass Deutschland nur ein kleines Licht ist im globalen Konzert der Treibhausgas-Produzenten, schließlich entstehen gerade einmal zwei Prozent hierzulande. Die Bundesregierung entlastet das nicht. Denn wenn sie schon im eigenen Land nicht die Kraft hat, entschieden gegen den Klimawandel vorzugehen, wird sie auch auf internationaler Ebene keine Verbündeten finden. Und das wäre nötig, um künftigen Generationen keinen ruinierten Planeten zu hinterlassen.