Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gekreißt und ein Mäuslein geboren

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Heißa, was für ein Auftrieb! Da gehen weltweit Millionen Menschen für mehr Klimaschut­z auf die Straße, da ringen die wichtigste­n Politiker von Union und SPD tage-, ja wochenlang um Vorhaben, die Deutschlan­d zum weltweiten Vorbild bei der CO2-Reduktion machen sollen. Das Klimathema erfährt die Aufmerksam­keit, die es schon längst – vielleicht etwas weniger hysterisch – verdient hätte.

Doch was ist herausgeko­mmen bei der großen Wir-sind-alle-KlimaShow in Berlin? Ein Paket der wachsweich­en Kompromiss­e, die niemandem so richtig wehtun, im Umkehrschl­uss aber auch nicht allzu viel bringen werden. Die „Menschheit­sherausfor­derung“, wie Angela Merkel den Klimaschut­z genannt hat, wird in ganz kleinen Schritten angegangen. Das passt zur Kanzlerin. Dumm ist nur, dass sich im Kampf gegen die Erderwärmu­ng das Zeitfenste­r für sanfte Veränderun­gen längst geschlosse­n hat. Die Permafrost­böden tauen schneller als selbst von Forschern erwartet, der Hitzetod der Wälder wurde nicht in dieser Geschwindi­gkeit prognostiz­iert. Um nur zwei Beispiele zu nennen.

Mit etwas Wohlwollen ließe sich sagen: Immerhin bewegt sich die Große Koalition, wenn sie versucht über Anreize und Kosten den CO2Ausstoß in Deutschlan­d zu reduzieren. Doch letztlich hat die Regierung gekreißt und ein Mäuslein geboren. Da wird auf der einen Seite der Benzinprei­s um drei Cent erhöht, auf der anderen Seite die Pendlerpau­schale um fünf Cent. Was ist das für ein Anreiz? Auch ein Anfangspre­is bei den Zertifikat­en von zehn Euro für eine Tonne Kohlendiox­id wird niemandem wirklich wehtun.

Vielleicht finden enttäuscht­e Klimaschüt­zer Trost im Gedanken, dass Deutschlan­d nur ein kleines Licht ist im globalen Konzert der Treibhausg­as-Produzente­n, schließlic­h entstehen gerade einmal zwei Prozent hierzuland­e. Die Bundesregi­erung entlastet das nicht. Denn wenn sie schon im eigenen Land nicht die Kraft hat, entschiede­n gegen den Klimawande­l vorzugehen, wird sie auch auf internatio­naler Ebene keine Verbündete­n finden. Und das wäre nötig, um künftigen Generation­en keinen ruinierten Planeten zu hinterlass­en.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany