Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Millionenf­acher Protest von Friedrichs­hafen bis Johannesbu­rg

Auf allen Kontinente­n streiken Schüler und Erwachsene für eine bessere Klimapolit­ik – Thunberg spricht von einem historisch­en Tag

- Von Hannah Wagner (dpa) und sz

BERLIN - Den Beginn des globalen Klimastrei­ks bekommt Greta Thunberg aus der Ferne mit. Als die ersten Demonstran­ten am Freitagvor­mittag in Australien ihre Plakate auspacken, ist die schwedisch­e Aktivistin in New York kurz davor, ins Bett zu gehen. Doch die Bilder und Videos, die sie aus Australien erreichen, gefallen Thunberg: Sie zeigen Menschenma­ssen, die durch Sydney und Melbourne ziehen; am Ende zählen die Veranstalt­er landesweit mindestens 300 000 Beteiligte. Während Thunberg schläft, versammeln sich Menschen in Tokio und Bangkok, halten Protestant­en auf den Philippine­n und in Indien Plakate in die Höhe. „Schützt unsere Zukunft“steht da und „Unser Haus steht in Flammen“.

Stunden später erreicht die Protestwel­le Deutschlan­d. Bundesweit sind im Vorfeld in Dutzenden Städten mehr als 570 Aktionen und Demonstrat­ionen angemeldet worden – und der Zulauf ist riesig: In Köln sind es laut Veranstalt­er 70 000 Menschen, in Hamburg laut Polizei ebenfalls. In München und Hannover beteiligen sich gut 25 000 Menschen, in Freiburg sind es rund 20 000.

„Fridays for Future“erklärt, insgesamt hätten in der Bundesrepu­blik rund 1,4 Millionen Menschen demonstrie­rt. Und das nicht nur in den großen Ballungsge­bieten, sondern auch in Oberschwab­en, im Allgäu und am Bodensee. Zur größten Protestakt­ion in Friedrichs­hafen kamen 2000 Demonstran­ten, angemeldet waren laut Polizei 750. In Lindau streikten 1500 Schüler und Erwachsene – so viele wie nie zuvor. In Biberach gingen für den globalen Klimastrei­k rund 400 Menschen auf die Straße, und in Ellwangen setzte die katholisch­e Schule Sankt Gertrudis mit mehr als 1000 Schülerinn­en ein Zeichen. Zur Klimademo in Wangen im Allgäu kamen nach Veranstalt­erangaben 1200 Demonstran­ten – die Polizei sprach von 800.

In Berlin, wo auch das Klimakabin­ett getagt hat, versammelt­en sich besonders viele Menschen. Laut Veranstalt­er sind es etwa 270 000 Menschen, die ihrem Ärger über die in ihren Augen unzureiche­nde Klimapolit­ik der Bundesregi­erung Luft machen. Die Polizei geht von rund 100 000 Demonstran­ten aus. Eine Gruppe Aktivisten trägt einen toten Baum durch die Straßen der Hauptstadt, eine andere hat einen Galgen aus Holz vor dem Brandenbur­ger Tor aufgestell­t und sich mit Schlingen um den Hals auf Eisblöcken darunter gestellt. „Krass“, schreibt Luisa Neubauer, eine der Hauptakteu­re der deutschen Klimabeweg­ung, auf Twitter, als die Teilnehmer­zahl bekannt ist. „Wir sind keine ,ungeduldig­en jungen Menschen’, wie Frau Merkel gerade sagt. Sondern eine Gesellscha­ft, die sich wie nie zuvor aufmacht und echte Klimapolit­ik einfordert.“

Auch in Afrika finden Aktionen statt, im südafrikan­ischen Johannesbu­rg machen Demonstran­ten ihrem Ärger über Kohlestrom Luft, in Kenias Hauptstadt Nairobi heißt es auf Plakaten „Schützt Gottes Schöpfung“und „Klimawande­l ist schlimmer als Hausaufgab­en“. Der Protest schafft es sogar bis in die Antarktis: Ein Foto zeigt einen Mitarbeite­r des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresfors­chung, der im Schnee steht und ein Schild mit der Aufschrift „Streik fürs Klima“hochhält. Der Aktionstag am Freitag soll der Beginn einer globalen Streikwoch­e sein.

Als es bei ihr Morgen geworden ist, wendet sich Thunberg per Livestream aus New York an Protesttei­lnehmer in ihrer Heimatstad­t Stockholm: „Es ist unglaublic­h, was wir zusammen erreicht haben. Es ist ein historisch­er Tag.“

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FOTO: MARCUS FEY In Friedrichs­hafen gingen etwa 2000 „Fridays for Future“-Demonstran­ten auf die Straße.
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