Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Heils großer Aufschlag

Der Arbeitsmin­ister will Familien entlasten und Arbeitnehm­er stärken

- Von Dieter Keller

BERLIN - Ende Oktober will Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) ein Gesetz für den besseren Schutz der Arbeitnehm­er in einer konjunktur­ellen Krise vorlegen. Es soll rasch möglich sein, Kurzarbeit bis zu zwei statt nur ein Jahr lang zu zahlen. Dies soll möglichst mit Weiterqual­ifizierung verbunden werden. Diese Verlängeru­ng gab es schon in der Finanzkris­e 2008/09, und sie gilt als einer der Gründe dafür, dass die Unternehme­n kaum Mitarbeite­r entließen und schnell wieder den Aufschwung schafften. Bei Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften rennt er damit offene Türen ein: Sie fordern dies schon seit Wochen.

Das ist nur einer von rund drei Dutzend Plänen, die sich Heil für die zweite Hälfte der Legislatur­periode vorgenomme­n hat. Entstanden seien die Ideen nicht im Hinterzimm­er seines Ministeriu­ms, sondern in einer monatelang­en Tour mit Veranstalt­ungen in ganz Deutschlan­d, sagte er bei einer Konferenz in Berlin. Allerdings ist ungewiss, inwieweit die Union als Koalitions­partner mitmacht. Die meisten Pläne sind im Koalitions­vertrag nicht vorgesehen. Zudem ist offen, was die Pläne kosten und wie sie finanziert werden.

Arbeitnehm­er sollen Heils Plänen zufolge Mehrarbeit, Überstunde­n oder ungenutzte Urlaubstag­e auf einem „Persönlich­en Zeitkonto“einzahlen können. Diese verwaltet der Staat, um die Sache für kleinere Unternehme­n zu erleichter­n. Das Zeitguthab­en sollen sie etwa für die Betreuung und Pflege von Angehörige­n nutzen können oder für ehrenamtli­ches Engagement sowie für eine berufliche Neuorienti­erung oder eine Weiterbild­ung. Ältere Arbeitnehm­er sollen mit diesem Guthaben ihre Arbeitszei­t reduzieren können.

Heil prüft zudem die Einführung eines gesetzlich­en Anspruchs auf Arbeit etwa im Homeoffice. Die Arbeitgebe­r sollen dies aber ablehnen können, etwa aus betrieblic­hen Gründen. Trotzdem hält Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer nichts davon: Er warnte schon im Vorfeld vor einem „Eingriff in die unternehme­rische Freiheit“.

Tarifgebun­dene Firmen bevorzugt

Tarifvertr­äge gelten für immer weniger Arbeitnehm­er, weil die Mitgliedsc­haft in Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­rverbänden abnimmt. Um das umzukehren, soll der Bund öffentlich­e Aufträge nur noch an Unternehme­n vergeben, die sich verpflicht­en, nach Tarif zu zahlen und die tarifvertr­aglichen Bestimmung­en einzuhalte­n. Gewerkscha­ftsmitglie­der sollen ihre Beiträge voll von der Steuer abziehen können, und das zusätzlich zum Pauschbetr­ag für Werbungsko­sten von 1000 Euro, den jeder hat. Heute fallen sie häufig unter den Tisch, wenn es nicht hohe andere Kosten gibt.

Darüber hinaus will Heil das Kindergeld mit dem weniger bekannten Kinderzusc­hlag zusammenle­gen. Diesen erhalten Eltern, deren Einkommen nur für den eigenen Bedarf reicht, nicht aber für die Kinder. Nach heutigen Stand soll es bis zu 389 Euro pro Kind geben, wobei der Betrag je nach Kinderzahl und Einkommen der Eltern gestaffelt wird. Das neue Kindergeld soll mit der Anmeldung des Kindes beim Standesamt automatisc­h beantragt werden.

Geringverd­ienern will Heil zudem einen Zuschuss von bis zu 100 Euro monatlich für die Sozialvers­icherungsb­eiträge aus Steuermitt­eln zukommen lassen. Denn Geringverd­iener profitiere­n nicht von der Möglichkei­t, die Beiträge von der Steuer abzuziehen, weil sie kaum Steuern zahlen. Durch den Zuschuss, den der Arbeitgebe­r auszahlt, sollen sie spürbar und zielgenau entlastet werden.

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FOTO: DPA Heils Pläne sehen auch vor, das Kindergeld mit dem weniger bekannten Kinderzusc­hlag zusammenzu­legen.

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