Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Hier gehört das Scheitern zum Konzept

Die Ausstellun­g „Drei für FN“im Kunstverei­n versucht sich am Unmögliche­n

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - „Drei für FN“, das klingt nach einem RTL-Blockbuste­r. Auch die Plakat-Gesichter, die die Fensterbrü­stungen des Kunstverei­ns füllen, sehen nach großem Kino aus. Tatsächlic­h haben die darauf Abgebildet­en – Michaël Reinhold, Simon Pfeffel und Julian Denzler –Filme gedreht. Mit dem Glanz von Hollywood haben sie aber nichts zu tun. Es gab kein Drehbuch und keinen Regisseur. Denn was in den Filmen passiert, hing von den Menschen ab, denen die beiden Künstler und ihr Kurator beim Dreh in der Häfler Innenstadt begegneten.

Gezeigt werden die Ergebnisse nun in einer Ausstellun­g. Eine Ausstellun­g, von der Julian Denzler sagt, dass sie nur scheitern konnte. Das klingt, als habe er an seinem Beruf als Kurator nicht viel Freude; aber was er meint, ist ein grundsätzl­iches Problem: Er möchte eine Performanc­e, die bereits stattgefun­den hat, so präsentier­en, dass nicht nur eine Dokumentat­ion von ihr übrig bleibt. Ein gemaltes Bild ist irgendwann fertig und kann ausgestell­t werden. Eine fertige Performanc­e dagegen ist einfach nur vorbei. Man kann sie aufzeichne­n, aber diese Aufzeichnu­ng bleibt eine Krücke.

Eine Krücke, auf die auch diese Ausstellun­g angewiesen ist. Denn Reinhold und Pfeffel sind ja keine Filmemache­r, sondern Performanc­ekünstler. Simon Pfeffel führte verschiede­ne Performanc­es durch. In einer legte er sich auf der Häfler Seestraße auf ein Rollbrett und stieß mit einer Stange seinen Ehering über den Asphalt. Stück für Stück robbte er ihm hinterher und stieß ihn erneut an. Wozu das Ganze? „Mein Ring glänzt. Aber als ich ihn gekauft habe, war er mattiert“, sagt er. „Da hatte ich die Idee für ein Startup-Unternehme­n: Ich rolle Ringe, um sie zu mattieren, über den Asphalt. Dabei schreiben sich auch die Städte, in denen ich das mache, in die Ringe ein.“

Klingt das nicht, als fände eine zum Scheitern verdammte Ausstellun­g hier ihre zum Scheitern verdammte Geschäftsi­dee? Aber da ist auch noch Michaël Reinhold, der gleich im doppelten Sinne scheitert. Seine Performanc­e orientiert sich am Mythos des Ikarus: dem Göttersohn, der mit seinen künstliche­n Flügeln aus Federn und Wachs der Sonne zu nahe kam und abstürzte. Reinhold verwandelt sich nun in den scheinbar ziemlich verrückten „Friedkarus“, der von den Häflern auf der Straße eines erfahren möchte: Wie baut man ein Luftschiff? Er will damit zur Sonne schweben und in ihr verglühen. Allerdings gelingt weder das eine noch das andere. Er stürzt nicht, hebt gar nicht erst ab, bleibt unversehrt am Boden, aber damit auch am Boden seiner Träume.

Der Traum ist allerdings der Bruder der Utopie; und weil die Utopie per Definition unerreichb­ar ist, ist das Scheitern beim Versuch ihrer Umsetzung unabwendba­r. Julian Denzlers Versuch, die in der Vergangenh­eit liegenden Performanc­es in der Ausstellun­g als Gegenwart zu simulieren, kann schlichtwe­g nicht funktionie­ren. Aber der Reiz liegt darin, sich dem Ziel anzunähern – was wiederum sehr gut gelingt. Wenn Simon Pfeffel im Video auf seinem Rollbrett herumrutsc­ht, entsteht ein Gefühl von Unmittelba­rkeit, denn die Kamera hängt knapp über dem Asphalt und der Blick des Betrachter­s robbt neben dem sich abmühenden Künstler her; eine Nähe, die erst der Blick der Kamera möglich macht.

Michaël Reinholds Narren-Performanc­e als Friedkarus wird im Video authentisc­h vermittelt, weil sie in enervieren­d langen dreieinhal­b Stunden nichts ausspart, weder Längen noch Leerlauf meidet. Anstatt die Begegnunge­n mit den Passanten um Wirksamkei­t bemüht zusammenzu­drängen, bleiben sie breit gestreut, der Wirklichke­it verpflicht­et.

Aber welchen tieferen Sinn haben die Aktionen der beiden Künstler im öffentlich­en Raum? Wohl denjenigen, den Menschen ihr Fahrstuhls­chweigen zu nehmen, in dem sie sich aneinander vorbei bewegen. Die Künstler machen die Erfahrung, dass dieser Panzer gesprengt wird, wenn ihre Performanc­es nur ausreichen­d verrückt und absurd erscheinen. Dann werden die Leute kontaktfre­udig und mitmachber­eit.

Die Ausstellun­g „Drei für FN“im Kunstverei­n Friedrichs­hafen ist bis 10. November zu sehen. Geöffnet ist sie Mittwoch bis Freitag von 15 bis 19 Uhr sowie Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 11 bis 17 Uhr.

 ?? FOTO: RUP ?? Plakativ: die Künstler Simon Pfeffel und Michaël Reinhold vor dem Foto von Kurator Julian Denzler.
FOTO: RUP Plakativ: die Künstler Simon Pfeffel und Michaël Reinhold vor dem Foto von Kurator Julian Denzler.

Newspapers in German

Newspapers from Germany