Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Eine Frage der Lebenseinstellung
Schwache Volleyballer verlieren letztes EM-Gruppenspiel – Jetzt gegen die Niederlande und die eigene Verunsicherung
APELDOORN (dpa/SID) - Vor der Frustfahrt mit dem Bus nach Apeldoorn mussten die bestürzten deutschen Volleyballer erst einmal Klartext reden. Nach dem peinlichen Abschluss der EM-Gruppenphase gegen Spanien suchte der taumelnde VizeEuropameister von 2017 bei einer Aussprache hinter verschlossenen Türen nach einem Mittel gegen den Absturz. „Ich weigere mich, das hinzunehmen und zu sagen: ,Wir schämen uns, und es geht nicht anders’“, erklärte Kapitän Lukas Kampa auf dem knapp 200 Kilometer langen Trip von Antwerpen in den nächsten Endrundenspielort in den Niederlanden. „Viele schlechte Dinge können sich auch wieder schnell verändern.“
Der Schock über den kaum erklärbaren Leistungseinbruch beim 1:3 gegen die Iberer am Donnerstag stand Kampa & Co. ins Gesicht geschrieben. Mit versteinerten Mienen liefen der Kapitän und der genesene Diagonalangreifer Georg Grozer durch die Katakomben und äußerten sich zunächst nicht. So „schnell wie möglich“müsse die Mannschaft die Blamage verarbeiten, mahnte Außenangreifer Christian Fromm an. „Erschreckend“fand er den Formverfall. „Wir müssen zusehen, dass wir unser Niveau wieder ganz hochschrauben, sonst ist das Turnier schneller beendet, als uns lieb ist.“Vom vor der EM ausgegebenen Ziel „Medaille“kann längst nicht mehr die Rede sein. Nach nur zwei Siegen aus fünf Gruppenspielen hofft man im deutschen Lager auf Schadensbegrenzung im Achtelfinale diesen Samstag (16 Uhr) gegen Co-Gastgeber Niederlande.
Erst mit dem Einzug ins Viertelfinale, wo wohl Weltmeister Polen mit dem ehemaligen Friedrichshafener Trainer Vital Heynen warten würde, hätten die Deutschen auch das Ticket für die EM 2021 sicher. Sonst droht eine strapaziöse Qualifikationsrunde gegen Volleyball-Exoten. „Natürlich macht es uns Sorgen, dass wir es nicht schaffen, uns zu stabilisieren“, sagte Kampa. „Wir sind aber nicht auf dem Heimweg, sondern auf dem Weg ins Achtelfinale.“
Den sonst milde lächelnden Bundestrainer Andrea Giani traf das Fiasko in Antwerpen sichtbar. Schäumend vor Wut lief er schnurstracks aus der Arena. „Ich weiß nicht, ob es spontan schon ein Patentrezept gibt“, sagte Fromm. „Ich denke, Andrea wird sich da was überlegen, und ich hoffe nur, dass das ganz schnell wieder in den Köpfen ankommt.“Giani selbst glaubt fest an den Einzug ins Viertelfinale. „Es hat vor allem mit einer Lebenseinstellung zu tun, wie man solche Spiele angeht“, sagt er. „Es zählt nicht, gegen wen man spielt oder wo man spielt, sondern wie man das Spiel angeht.“