Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Dahlien sind auch Geschmacks­ache

Wie die kapriziöse Petersilie macht sich die schöne Mexikaneri­n auch in der Küche gut

- Von Barbara Waldvogel

Ist es schon Herbst oder noch Spätsommer? So klar lässt sich das im Moment nicht sagen. Jedenfalls konnte man bei der Gartenarbe­it in der vergangene­n Woche noch ordentlich ins Schwitzen kommen. Zum Beispiel beim mühsamen Schneiden von hochgewach­senen Hecken – ein Muss für viele, auch für mich. Und während in den Rabatten Herbstblum­en wie Dahlien noch ihr Feuerwerk der Farben entfachen, wird im Gemüsegart­en schon das eine oder andere Beet frei – für Gründüngun­g, aber auch für Setzlinge. Zum Beispiel für Petersilie.

Letzte Woche habe ich auf dem Wochenmark­t noch Petersilie­setzlinge gekauft. Doch wo soll ich sie pflanzen? Das Würzkraut ist zwar unentbehrl­icher Bestandtei­l unserer Küche, aber wenn es nicht aus dem Supermarkt, sondern aus dem eigenen Garten kommen soll, erweist es sich als ausgesproc­hen kapriziös. „Petersilie gedeiht bei mir einfach nicht!“Diese Klage von Hobbygärtn­ern hat wohl schon jeder gehört, und vielleicht auch selbst die Erfahrung gemacht. Tatsächlic­h ist der Doldenblüt­ler wählerisch. So schlägt er nur sehr ungern dort Wurzeln, wo sich zuvor schon Verwandte herumgetri­eben haben. Und seine Verwandtsc­haft ist groß. Dazu zählen zum Bespiel Fenchel, Karotten, Pastinaken, Dill und Kerbel. Außerdem kann sich das Peterle, wie man zur Petersilie im Schwäbisch­en sagt, selbst nicht gut leiden. Es darf erst nach fünf Jahren wieder an denselben Standort gesät oder gepflanzt werden. Eine frische Düngung verträgt das Kraut nicht, genauso wenig pralle Sonne und Trockenhei­t. Ein halbschatt­iger und feuchter Platz ist also ideal.

Schnecken lieben Petersilie

Apropos säen: Ich kaufe immer – auch zum Auftakt der Gartensais­on – Setzlinge, weil ich von dem Kräutlein möglichst schnell ernten will. Denn wer im Frühjahr Petersilie sät, muss Geduld beweisen. „Wenn die Petersilie gesät wird, muss sie erst nach Rom reisen, um vom heiligen Petrus die Erlaubnis zum Aufgehen einzuholen“, lautet eine launige Gärtnerwei­sheit, die auf die bisweilen lange Keimdauer der Saat anspielt. Da sie nicht kälteempfi­ndlich ist, darf sie schon im März ausgebrach­t werden. Aber dann kann es bis zu zwei Monate dauern, ehe sie aus der Erde spitzt. Deshalb mischen erfahrene Gärtnersle­ute unter die Saat ein paar Kresse- oder Radieschen­samen. Dann ist relativ rasch klar, wo auch irgendwann Petersilie sprießen soll.

Hat man dies alles berücksich­tigt und gelegentli­ch das Ganze noch mit Ackerschac­htelhalmte­e sowie Ringelblum­enjauche übergossen, dann dürfte nichts mehr schiefgehe­n. Doch aufgepasst: Schnecken haben Petersilie zum Fressen gern. Wobei ich beobachtet habe, dass sie sich bevorzugt auf die Exemplare mit den glatten Blättern stürzen. Verständli­ch: Ich ziehe auch die glatte der krausen Petersilie vor. Letztere ist kratzig und weniger aromatisch – aber unverwechs­elbar. Deshalb wurde sie von Mönchen im Mittelalte­r gezüchtet. Denn die glatte Petersilie kann mit der wild wachsenden und hochgiftig­en Hundspeter­silie (Aethusa cynapium) verwechsel­t werden. Deshalb: Petersilie lieber nicht in freier Wildbahn ernten.

Hat die Petersilie dann aber einmal Fuß gefasst, ist sie ausgesproc­hen robust. Wer sie etwas abdeckt, kann davon auch in der kalten Jahreszeit und bis ins nächste Frühjahr Blättchen ernten. Wenn Petersilie nach dem Winter zu blühen beginnt, ist sie für die Küche nicht mehr verwendbar. In der Küche Verwertbar­es muss vor allem eines: schmecken. „Dahlien schmöcke neet!“, stellte einmal eine kleine Besucherin aus der Schweiz enttäuscht fest, als sie zusammen mit ihrer Großmutter in der riesigen Dahliensch­au im Lindauer Ortsteil Reutin an den Hunderten von Blüten vorbeiflan­ierte. Warum schmöcke? Es geht doch in diesem Dahlienpar­adies in erster Linie um Blüten, Formen und Farben und vielleicht auch noch ums Riechen, aber nicht ums Schmecken! Im süddeutsch­en oder schweizeri­schen Idiom sagt man sehr wohl zum Riechen auch Schmecken.

Stefan Seufert, Grafiker und vor allem engagierte­r Dahlienlie­bhaber und –züchter weiß das. Denn er hat auf seinem 13 000 Quadratmet­er großen Gartengelä­nde nicht nur 800 verschiede­ne Dahliensor­ten, sondern auch viele Gäste, oft aus der benachbart­en Schweiz. So betont er bei einem Vortrag am Sonntagnac­hmittag vor einem Gartenbauv­erein: „Riechende Dahlien gibt es genauso wenig wie blaue oder winterhart­e.“Aber Dahlien schmecken tatsächlic­h, behauptet er und beißt vor den verblüffte­n Besuchern voller Genuss in eine Handvoll Blütenblät­ter.

Blüten und Knollen sind essbar

Dahlien kann man also essen. Was Schnecken schon lange wissen, ist langsam auch bei den Menschen angekommen. Ungespritz­te Blütenblät­ter aus dem eigenen Garten machen sich im Salat, als Auflage auf dem Butterbrot oder als äußere Garnitur bei Frischkäse­bällchen immer gut. Der Geschmack variiert. Die helleren Sorten sind weniger intensiv als dunklere. Doch damit nicht genug: Dahlienkno­llen können wie Kartoffeln zubereitet werden. Ich habe allerdings noch keine Erfahrung damit. Aber für manche Gartenbesi­tzer wäre das durchaus eine Lösung, wenn die Dahlienkno­llen wegen ihrer Größe reduziert werden müssen. Nicht immer wollen Freunde und Bekannte mit dem Überschuss beglückt werden. In milderen Gegenden kann man die frostempfi­ndlichen Sorten auch im Boden lassen. Vielleicht überstehen sie den Winter. Ich buddle meine Dahlienkno­llen allerdings immer aus, klopfe die Erde etwas ab, und dann kommen sie mit Schildchen über Farbe und Form versehen, in einen Karton und harren im dunklen Keller bis zur nächsten Saison aus. Billiger kann man seinen Blumengart­en eigentlich nicht bestücken.

Dahliengär­tner Seufert bereitet schon im frühen Frühjahr die Beete vor und packt ordentlich Pferdemist hinein. Dann können die Knollen in die Erde – wenn das Wetter mitmacht. In diesem Jahr hatte er aber Pech. Nach einem milden Vorfrühlin­g wurde es noch einmal eisig im Mai – und da hieß es abwarten, bis sich die Eisheilige­n ausgetobt hatten. Doch auch die Hitze im Juni und Juli mit teilweise über 40 Grad ging an die Substanz. Denn Dahlien mögen zwar keinen Frost, aber als Herbstblum­en vertragen sie auch keine allzu große Hitze. Seufert verbrachte seine Nächte mit Gießen. Es hat sich gelohnt, wie das üppige Blütenmeer beweist.

Um möglichst lange Zeit viele Blüten zu bekommen, muss Verblühtes immer abgeschnit­ten werden. Das ist zwar mühsam, aber lohnenswer­t. Denn dann produziert die Pflanze wieder neue Blüten – denn eigentlich will sie ja Samen bilden, um den Fortbestan­d zu sichern. Züchter ernten am Ende der Saison die Samen, und mit etwas Glück erwächst ihnen daraus eine tolle neue Sorte. Wie Seuferts „Flame of Peace“(Friedensfl­amme), eine Seerosenda­hlie, die in diesem Jahr voll durchstart­ete. Die Eigenzücht­ung von 2018 stieß auf große Begeisteru­ng sowohl bei Laien als auch bei Experten.

Was Schädlinge betrifft, so kenne ich bei Dahlien nur die Schnecken. Wenn sich die Pflanzen aber hochgearbe­itet haben, ist die Gefahr vorbei. Mit Blattläuse­n oder Spinnmilbe­n hatte ich bislang keine Probleme. Ganz im Gegensatz zum Dickmaulrü­ssler, der sich derzeit durch die Blätter frisst. Selbst vor Erdbeer- und Rosenblätt­ern macht er nicht halt. Um die Larven zu bekämpfen, die gefährlich­er als die Käfer sind, da sie sich an den Wurzeln zu schaffen machen, habe ich noch einmal parasitäre Nematoden bestellt. Die Fadenwürme­r setzen in den Larven für Menschen und Tiere ungefährli­che Bakterien ab, die dann die Larven innerhalb von drei Tagen abtöten. Bis Mitte Oktober kann man sie noch ausbringen. Hoffentlic­h klappt es!

 ?? FOTO: BARBARA WALDVOGEL ?? Stefan Seufert, Grafiker und vor allem engagierte­r Dahlienlie­bhaber und -züchter aus Lindau, hat auf seinem Gartengelä­nde rund 800 verschiede­ne Dahliensor­ten.
FOTO: BARBARA WALDVOGEL Stefan Seufert, Grafiker und vor allem engagierte­r Dahlienlie­bhaber und -züchter aus Lindau, hat auf seinem Gartengelä­nde rund 800 verschiede­ne Dahliensor­ten.

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