Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Dahlien sind auch Geschmacksache
Wie die kapriziöse Petersilie macht sich die schöne Mexikanerin auch in der Küche gut
Ist es schon Herbst oder noch Spätsommer? So klar lässt sich das im Moment nicht sagen. Jedenfalls konnte man bei der Gartenarbeit in der vergangenen Woche noch ordentlich ins Schwitzen kommen. Zum Beispiel beim mühsamen Schneiden von hochgewachsenen Hecken – ein Muss für viele, auch für mich. Und während in den Rabatten Herbstblumen wie Dahlien noch ihr Feuerwerk der Farben entfachen, wird im Gemüsegarten schon das eine oder andere Beet frei – für Gründüngung, aber auch für Setzlinge. Zum Beispiel für Petersilie.
Letzte Woche habe ich auf dem Wochenmarkt noch Petersiliesetzlinge gekauft. Doch wo soll ich sie pflanzen? Das Würzkraut ist zwar unentbehrlicher Bestandteil unserer Küche, aber wenn es nicht aus dem Supermarkt, sondern aus dem eigenen Garten kommen soll, erweist es sich als ausgesprochen kapriziös. „Petersilie gedeiht bei mir einfach nicht!“Diese Klage von Hobbygärtnern hat wohl schon jeder gehört, und vielleicht auch selbst die Erfahrung gemacht. Tatsächlich ist der Doldenblütler wählerisch. So schlägt er nur sehr ungern dort Wurzeln, wo sich zuvor schon Verwandte herumgetrieben haben. Und seine Verwandtschaft ist groß. Dazu zählen zum Bespiel Fenchel, Karotten, Pastinaken, Dill und Kerbel. Außerdem kann sich das Peterle, wie man zur Petersilie im Schwäbischen sagt, selbst nicht gut leiden. Es darf erst nach fünf Jahren wieder an denselben Standort gesät oder gepflanzt werden. Eine frische Düngung verträgt das Kraut nicht, genauso wenig pralle Sonne und Trockenheit. Ein halbschattiger und feuchter Platz ist also ideal.
Schnecken lieben Petersilie
Apropos säen: Ich kaufe immer – auch zum Auftakt der Gartensaison – Setzlinge, weil ich von dem Kräutlein möglichst schnell ernten will. Denn wer im Frühjahr Petersilie sät, muss Geduld beweisen. „Wenn die Petersilie gesät wird, muss sie erst nach Rom reisen, um vom heiligen Petrus die Erlaubnis zum Aufgehen einzuholen“, lautet eine launige Gärtnerweisheit, die auf die bisweilen lange Keimdauer der Saat anspielt. Da sie nicht kälteempfindlich ist, darf sie schon im März ausgebracht werden. Aber dann kann es bis zu zwei Monate dauern, ehe sie aus der Erde spitzt. Deshalb mischen erfahrene Gärtnersleute unter die Saat ein paar Kresse- oder Radieschensamen. Dann ist relativ rasch klar, wo auch irgendwann Petersilie sprießen soll.
Hat man dies alles berücksichtigt und gelegentlich das Ganze noch mit Ackerschachtelhalmtee sowie Ringelblumenjauche übergossen, dann dürfte nichts mehr schiefgehen. Doch aufgepasst: Schnecken haben Petersilie zum Fressen gern. Wobei ich beobachtet habe, dass sie sich bevorzugt auf die Exemplare mit den glatten Blättern stürzen. Verständlich: Ich ziehe auch die glatte der krausen Petersilie vor. Letztere ist kratzig und weniger aromatisch – aber unverwechselbar. Deshalb wurde sie von Mönchen im Mittelalter gezüchtet. Denn die glatte Petersilie kann mit der wild wachsenden und hochgiftigen Hundspetersilie (Aethusa cynapium) verwechselt werden. Deshalb: Petersilie lieber nicht in freier Wildbahn ernten.
Hat die Petersilie dann aber einmal Fuß gefasst, ist sie ausgesprochen robust. Wer sie etwas abdeckt, kann davon auch in der kalten Jahreszeit und bis ins nächste Frühjahr Blättchen ernten. Wenn Petersilie nach dem Winter zu blühen beginnt, ist sie für die Küche nicht mehr verwendbar. In der Küche Verwertbares muss vor allem eines: schmecken. „Dahlien schmöcke neet!“, stellte einmal eine kleine Besucherin aus der Schweiz enttäuscht fest, als sie zusammen mit ihrer Großmutter in der riesigen Dahlienschau im Lindauer Ortsteil Reutin an den Hunderten von Blüten vorbeiflanierte. Warum schmöcke? Es geht doch in diesem Dahlienparadies in erster Linie um Blüten, Formen und Farben und vielleicht auch noch ums Riechen, aber nicht ums Schmecken! Im süddeutschen oder schweizerischen Idiom sagt man sehr wohl zum Riechen auch Schmecken.
Stefan Seufert, Grafiker und vor allem engagierter Dahlienliebhaber und –züchter weiß das. Denn er hat auf seinem 13 000 Quadratmeter großen Gartengelände nicht nur 800 verschiedene Dahliensorten, sondern auch viele Gäste, oft aus der benachbarten Schweiz. So betont er bei einem Vortrag am Sonntagnachmittag vor einem Gartenbauverein: „Riechende Dahlien gibt es genauso wenig wie blaue oder winterharte.“Aber Dahlien schmecken tatsächlich, behauptet er und beißt vor den verblüfften Besuchern voller Genuss in eine Handvoll Blütenblätter.
Blüten und Knollen sind essbar
Dahlien kann man also essen. Was Schnecken schon lange wissen, ist langsam auch bei den Menschen angekommen. Ungespritzte Blütenblätter aus dem eigenen Garten machen sich im Salat, als Auflage auf dem Butterbrot oder als äußere Garnitur bei Frischkäsebällchen immer gut. Der Geschmack variiert. Die helleren Sorten sind weniger intensiv als dunklere. Doch damit nicht genug: Dahlienknollen können wie Kartoffeln zubereitet werden. Ich habe allerdings noch keine Erfahrung damit. Aber für manche Gartenbesitzer wäre das durchaus eine Lösung, wenn die Dahlienknollen wegen ihrer Größe reduziert werden müssen. Nicht immer wollen Freunde und Bekannte mit dem Überschuss beglückt werden. In milderen Gegenden kann man die frostempfindlichen Sorten auch im Boden lassen. Vielleicht überstehen sie den Winter. Ich buddle meine Dahlienknollen allerdings immer aus, klopfe die Erde etwas ab, und dann kommen sie mit Schildchen über Farbe und Form versehen, in einen Karton und harren im dunklen Keller bis zur nächsten Saison aus. Billiger kann man seinen Blumengarten eigentlich nicht bestücken.
Dahliengärtner Seufert bereitet schon im frühen Frühjahr die Beete vor und packt ordentlich Pferdemist hinein. Dann können die Knollen in die Erde – wenn das Wetter mitmacht. In diesem Jahr hatte er aber Pech. Nach einem milden Vorfrühling wurde es noch einmal eisig im Mai – und da hieß es abwarten, bis sich die Eisheiligen ausgetobt hatten. Doch auch die Hitze im Juni und Juli mit teilweise über 40 Grad ging an die Substanz. Denn Dahlien mögen zwar keinen Frost, aber als Herbstblumen vertragen sie auch keine allzu große Hitze. Seufert verbrachte seine Nächte mit Gießen. Es hat sich gelohnt, wie das üppige Blütenmeer beweist.
Um möglichst lange Zeit viele Blüten zu bekommen, muss Verblühtes immer abgeschnitten werden. Das ist zwar mühsam, aber lohnenswert. Denn dann produziert die Pflanze wieder neue Blüten – denn eigentlich will sie ja Samen bilden, um den Fortbestand zu sichern. Züchter ernten am Ende der Saison die Samen, und mit etwas Glück erwächst ihnen daraus eine tolle neue Sorte. Wie Seuferts „Flame of Peace“(Friedensflamme), eine Seerosendahlie, die in diesem Jahr voll durchstartete. Die Eigenzüchtung von 2018 stieß auf große Begeisterung sowohl bei Laien als auch bei Experten.
Was Schädlinge betrifft, so kenne ich bei Dahlien nur die Schnecken. Wenn sich die Pflanzen aber hochgearbeitet haben, ist die Gefahr vorbei. Mit Blattläusen oder Spinnmilben hatte ich bislang keine Probleme. Ganz im Gegensatz zum Dickmaulrüssler, der sich derzeit durch die Blätter frisst. Selbst vor Erdbeer- und Rosenblättern macht er nicht halt. Um die Larven zu bekämpfen, die gefährlicher als die Käfer sind, da sie sich an den Wurzeln zu schaffen machen, habe ich noch einmal parasitäre Nematoden bestellt. Die Fadenwürmer setzen in den Larven für Menschen und Tiere ungefährliche Bakterien ab, die dann die Larven innerhalb von drei Tagen abtöten. Bis Mitte Oktober kann man sie noch ausbringen. Hoffentlich klappt es!