Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Geschenke verderben die Freundschaft
Es gibt einen Scheitelpunkt des Glücks. Eine Marke, von der an das Glück durch Wohlstand nicht mehr zu steigern ist. Das Einkommen kann also zunehmen, zufriedener wird man dadurch aber nicht mehr. Der Ökonom Mathias Binswanger, Dozent an der Uni St. Gallen, verortet diesen Punkt bei einem Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 20 000 Dollar. Oder, laut einer international vergleichenden Studie, bei einem durchschnittlichen Familieneinkommen von 60 000 bis 70 000 Dollar.
Nun, von 20 000 kann man als Single leben, aber besonders viel Geld ist das nicht. Und wenn man 60 000 Euro auf eine Familie mit drei Kindern
umlegt, macht man damit auch keine großen Sprünge. Dabei gibt es doch so vieles, was wir gerne tun würden, wenn wir nur mehr Geld hätten. Kann es also sein, dass diese Zahlen sehr niedrig angelegt sind? Oder haben wir unser Glückspotenzial durch Konsum wirklich bereits ausgeschöpft?
Wir können die Idealsumme des Glücks noch ein wenig in die Höhe schachern. Nimmt ein Normalverdiener diese Studien im Kern aber ernst, muss er zum naheliegenden Schluss kommen: Wenn zusätzlicher Konsum uns nicht glücklicher macht, dann sollten wir uns das, was uns nur vermeintlich glücklich machen würde, gar nicht erst wünschen. Nur: Wie soll das gehen? Wie sollte ich nicht haben wollen, was ich nun einmal haben will? Das ist eine Frage, die in den Advent besonders passt. Vor der Tür steht ja Weihnachten, das Fest der Geschenke, das uns glücklich macht. Aber mit Weihnachten ist etwas faul.
Denken Sie nur daran, was nach den Festtagen wieder alles zu Hause rumliegen wird: lauter Verlegenheitsgeschenke. Sachen, die keineswegs ein Glücksgefühl auslösen. Kein Mensch scheint Sie genau genug zu kennen, um zu wissen, was Sie sich wirklich wünschen. Nicht mal der Mensch, mit dem Sie nachts das Bett teilen. Das ist ein schales Gefühl, mit dem Sie keineswegs allein sind. Wir leben im Zeitalter der schlecht ausgesuchten Geschenke. Wir sind von Menschen umgeben, denen nichts an uns liegt. Gut, meinen Sie – das mit den schlecht ausgesuchten Geschenken stimmt schon. Aber daraus abzuleiten, jeder von uns sei im Grunde mutterseelenallein, geht schlichtweg in die falsche Richtung. Vielleicht sind ja so viele Geschenke nur deshalb die falschen, weil wir nicht wissen, was wir uns noch wirklich wünschen. Das will dann allerdings erkannt werden. Sonst schieben wir die Schuld für die fehlende Freude über ein Geschenk unserem engsten Freundes- und Familienkreis zu, dem wir eben doch wichtig sind.
Wenn wir hier schon angelangt sind: Wie wäre es, Weihnachten ein wenig anders zu feiern: Auf die gegenseitigen Verlegenheitsgeschenke zu verzichten, die nicht nur
Weihnachten so schal machen können, sondern auch das weihnachtliche Zusammensein mit der Familie?
Aber es gibt andere in Friedrichshafen, die von der materiellen Glücksgrenze weit entfernt sind. Sie leben an der Grenze zur Armut. Dort fehlt es am Nötigen, und jeder zusätzliche Euro trägt tatsächlich dazu bei, das Glück zu steigern. Eine Überweisung an die Hilfsaktion Häfler helfen ist deshalb das Gegenteil eines Verlegenheitsgeschenks. Spenden können Sie unter dem Stichwort „Häfler helfen“auf das Konto der katholischen Gesamtkirchenpflege IBAN: DE52 6905 0001 0020 1138 90 bei der Sparkasse Bodensee.
Die Kulturtipps der Woche: Das Staatsschauspiel Dresden spielt im GZH am Dienstag, 3. Dezember, 19.30
Uhr, das Stück „Geächtet“von Ayad Akhtar. Der Schauspieler Samuel Finzi erzählt am Mittwoch, 4. Dezember, um 19.30 Uhr im Bahnhof Fischbach Joseph Roths Roman „Hiob“. Die regierungs- und kirchenkritische Band Pussy Riot aus Russland tritt am Mittwoch, 4. Dezember, 20 Uhr, im Kulturraum Casino auf. Die A-cappella-Formation Maybebop präsentiert am Donnerstag, 5. Dezember, 20 Uhr, ihr Weihnachtsprogramm im Bahnhof Fischbach. Der Verein Klangkultur veranstaltet im Kulturraum Casino am Samstag, 7. Dezember, ab 19 Uhr, ihr Rockfest, mit Konzerten der Bands Blue Hart, Klartext, X-tra-Time und EschauSpatzen. Ebenfalls am Samstag, um 20 Uhr, rockt im benachbarten Theater Atrium die Band Stormfire.