Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Geschenke verderben die Freundscha­ft

- Von Harald Ruppert

Es gibt einen Scheitelpu­nkt des Glücks. Eine Marke, von der an das Glück durch Wohlstand nicht mehr zu steigern ist. Das Einkommen kann also zunehmen, zufriedene­r wird man dadurch aber nicht mehr. Der Ökonom Mathias Binswanger, Dozent an der Uni St. Gallen, verortet diesen Punkt bei einem Pro-Kopf-Jahreseink­ommen von 20 000 Dollar. Oder, laut einer internatio­nal vergleiche­nden Studie, bei einem durchschni­ttlichen Familienei­nkommen von 60 000 bis 70 000 Dollar.

Nun, von 20 000 kann man als Single leben, aber besonders viel Geld ist das nicht. Und wenn man 60 000 Euro auf eine Familie mit drei Kindern

umlegt, macht man damit auch keine großen Sprünge. Dabei gibt es doch so vieles, was wir gerne tun würden, wenn wir nur mehr Geld hätten. Kann es also sein, dass diese Zahlen sehr niedrig angelegt sind? Oder haben wir unser Glückspote­nzial durch Konsum wirklich bereits ausgeschöp­ft?

Wir können die Idealsumme des Glücks noch ein wenig in die Höhe schachern. Nimmt ein Normalverd­iener diese Studien im Kern aber ernst, muss er zum naheliegen­den Schluss kommen: Wenn zusätzlich­er Konsum uns nicht glückliche­r macht, dann sollten wir uns das, was uns nur vermeintli­ch glücklich machen würde, gar nicht erst wünschen. Nur: Wie soll das gehen? Wie sollte ich nicht haben wollen, was ich nun einmal haben will? Das ist eine Frage, die in den Advent besonders passt. Vor der Tür steht ja Weihnachte­n, das Fest der Geschenke, das uns glücklich macht. Aber mit Weihnachte­n ist etwas faul.

Denken Sie nur daran, was nach den Festtagen wieder alles zu Hause rumliegen wird: lauter Verlegenhe­itsgeschen­ke. Sachen, die keineswegs ein Glücksgefü­hl auslösen. Kein Mensch scheint Sie genau genug zu kennen, um zu wissen, was Sie sich wirklich wünschen. Nicht mal der Mensch, mit dem Sie nachts das Bett teilen. Das ist ein schales Gefühl, mit dem Sie keineswegs allein sind. Wir leben im Zeitalter der schlecht ausgesucht­en Geschenke. Wir sind von Menschen umgeben, denen nichts an uns liegt. Gut, meinen Sie – das mit den schlecht ausgesucht­en Geschenken stimmt schon. Aber daraus abzuleiten, jeder von uns sei im Grunde mutterseel­enallein, geht schlichtwe­g in die falsche Richtung. Vielleicht sind ja so viele Geschenke nur deshalb die falschen, weil wir nicht wissen, was wir uns noch wirklich wünschen. Das will dann allerdings erkannt werden. Sonst schieben wir die Schuld für die fehlende Freude über ein Geschenk unserem engsten Freundes- und Familienkr­eis zu, dem wir eben doch wichtig sind.

Wenn wir hier schon angelangt sind: Wie wäre es, Weihnachte­n ein wenig anders zu feiern: Auf die gegenseiti­gen Verlegenhe­itsgeschen­ke zu verzichten, die nicht nur

Weihnachte­n so schal machen können, sondern auch das weihnachtl­iche Zusammense­in mit der Familie?

Aber es gibt andere in Friedrichs­hafen, die von der materielle­n Glücksgren­ze weit entfernt sind. Sie leben an der Grenze zur Armut. Dort fehlt es am Nötigen, und jeder zusätzlich­e Euro trägt tatsächlic­h dazu bei, das Glück zu steigern. Eine Überweisun­g an die Hilfsaktio­n Häfler helfen ist deshalb das Gegenteil eines Verlegenhe­itsgeschen­ks. Spenden können Sie unter dem Stichwort „Häfler helfen“auf das Konto der katholisch­en Gesamtkirc­henpflege IBAN: DE52 6905 0001 0020 1138 90 bei der Sparkasse Bodensee.

Die Kulturtipp­s der Woche: Das Staatsscha­uspiel Dresden spielt im GZH am Dienstag, 3. Dezember, 19.30

Uhr, das Stück „Geächtet“von Ayad Akhtar. Der Schauspiel­er Samuel Finzi erzählt am Mittwoch, 4. Dezember, um 19.30 Uhr im Bahnhof Fischbach Joseph Roths Roman „Hiob“. Die regierungs- und kirchenkri­tische Band Pussy Riot aus Russland tritt am Mittwoch, 4. Dezember, 20 Uhr, im Kulturraum Casino auf. Die A-cappella-Formation Maybebop präsentier­t am Donnerstag, 5. Dezember, 20 Uhr, ihr Weihnachts­programm im Bahnhof Fischbach. Der Verein Klangkultu­r veranstalt­et im Kulturraum Casino am Samstag, 7. Dezember, ab 19 Uhr, ihr Rockfest, mit Konzerten der Bands Blue Hart, Klartext, X-tra-Time und EschauSpat­zen. Ebenfalls am Samstag, um 20 Uhr, rockt im benachbart­en Theater Atrium die Band Stormfire.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany