Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Nagelsmanns Tormaschine läuft auf Hochtouren
Manchmal kann ein Moment im Leben alles verändern. Ein richtiges oder falsches Wort, ein kleines Missverständnis, ein winziger Fehlpass, ein Schuss an den Pfosten statt ins Tor, und schon können aus Siegern Verlierer werden oder aus Verlierern Sieger, aus Liebenden Hassende und aus Hassenden Liebende. Man kennt das aus „Lola rennt“. Gut, dass es sogleich den nächsten Moment gibt, bei dem man wieder alles richtig oder alles falsch machen kann, das hat Gott schön eingerichtet, damit die Menschen (und die Fußballer) ihre Lektionen lernen. Das Duell zwischen dem Ligaletzten SC Paderborn und dem neuen Tabellenzweiten RB Leipzig war ein Musterbeispiel für die Rasanz der Gegenwart, SC-Trainer
fasste es danach schön zusammen: „Wenn du nach vier Minuten 0:2 hinten liegst, dann denkst du schon: Puh, das kann ja ein netter Nachmittag werden.“Wurde es dann wirklich noch, wenn auch nicht mit einem Happy End für die Paderborner (aber selbst Happy Ends sind endlich, auch das hat Gott gut eingerichtet).
Steffen Baumgart
Doch der Reihe nach: Leipzig, das unter dem neuen Trainer wie beschwingt wirkt, glückte ein Blitzstart. Der Tscheche vom AS Rom gekommen
Patrik Schick, Julian Nagelsmann
und lange verletzt, traf gleich mit seinem ersten Torschuss in der Bundesliga (3.). der immer torgefährlicher wird, stellte mit dem nächsten Angriff auf 2:0 (4.), und Paderborns Kapitän blickte danach ehrfurchtsvoll auf die ersten Minuten zurück: „Die Leipziger haben uns fast keine Luft zum Atmen gelassen“, sagte er. „Das war die stärkste Mannschaft, gegen die wir bislang gespielt haben.“Nationalstürmer erzielte noch vor der Pause das 3:0, die Offensivwucht der Gäste war auch ohne den angeschlagenen beeindruckend. In den letzten sieben Pflichtspielen (sechs Siege, ein Remis) schoss Leipzig die sagenhafte Zahl
Marcel Sabitzer, Timo Werner Klaus Gjasula Emil Forsberg
von 29 Toren, keine Mannschaft ist vorne so zielsicher wie die Sachsen.
Es folgte ein passabler Spätnachmittag für Paderborn: Torjäger
(62.) und Gjasula (73.) verkürzten, und am Ende wurde es noch leicht dramatisch. Zum Remis langte es dem David der Liga aber nicht mehr. Immerhin: Paderborn fehlt nie viel, wenn es gegen die Spitzenteams geht: Dreimal 2:3 gegen Bayern, Leipzig und Leverkusen, ein Mal 3:3 in Dortmund – so lautet die Bilanz des Aufsteigers gegen die vier Champions-League-Teilnehmer. Neun Tore in vier Spielen, Chapeau! „Paderborn ist eine coole Truppe. Mir gefällt, wie die Mannschaft von hinten herausspielt
Mamba Streli
und mutig in der Spieleröffnung ist. Ich mag den Ansatz der Paderborner“, hatte Nagelsmann, der seinem Kader danach zwei Tage frei gab, vor der Partie bereits geschwärmt. Baumgart gab das Lob freimütig zurück: „Ich glaube, dass Leipzig im Moment die konstanteste Mannschaft ist und auch mit den attraktivsten Fußball spielt“, sagte der SC-Coach. „Wenn sie es schaffen, kontinuierlich durchzuspielen, dann wird es vielleicht nicht immer den gleichen Meister geben.“Wenn und vielleicht.
Horn Rafael Czichos Niederlechner Andre Hahn
Auch der Augsburger würde gern mal kontinuierlich durchspielen, und am Samstag standen die Chancen gar nicht so schlecht. Erstmals seit dem 6. Oktober erhielt der Ex-Nationalspieler in Köln eine Chance von Beginn an, prompt ging so ziemlich alles Mögliche in die Hose. In der 9. Minute schnappte sich der 29-Jährige beim Strafstoß des FCA selbstbewusst den Ball, um dann doch recht kläglich an Torhüter
zu scheitern. Sichtlich gefrustet von seinem Fauxpas holte sich Hahn kurz darauf für ein Revanchefoul an
die Gelbe Karte ab. Auch der Platzverweis für Czichos und das 1:0 für sein Team durch
konnten Hahn nicht beruhigen. Nur eine Minute danach traf er mit einem hohen Bein an der Schulter und musste selbst zum Duschen. Die Überzahl war dahin, am Ende ging es 1:1 aus. Hahn bekommt damit den Sympathiepreis des Spieltags. Er scheint wie wir alle Tage zu haben, an denen er lieber im Bett bleiben sollte.
Timo Florian Dominick Drexler