Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

EU-Länder schwächen Rechte von Zugfahrern

Bahnuntern­ehmen werden künftig ähnlich wie Airlines behandelt – Keine Entschädig­ung bei höherer Gewalt

- Dorothee Torebko

BRÜSSEL/BERLIN - Wintereinb­ruch, Stürme und Hitzewelle­n: Kommt es aufgrund extremen Wetters zu Zugverspät­ungen, muss die Deutsche Bahn bald keine Entschädig­ungen mehr zahlen. Das wollen zumindest die EU-Verkehrsmi­nister. Sie haben sich am Montag in Brüssel darauf geeinigt, dass europäisch­e Bahnuntern­ehmen keine Haftung mehr für Verspätung­en bei höherer Gewalt übernehmen müssen.

Das Verkehrsau­sschussmit­glied des Europaparl­aments, Anna Deparnay-Grunenberg (Grüne), befürchtet dadurch einen „massiven Rückschrit­t“für die Bahnreisen­den. Werde der Anspruch auf Entschädig­ungen gestrichen, führe das zu einer „nicht hinnehmbar­en Rechtsunsi­cherheit für Bahnkunden“. Auch der Verkehrspo­litiker Christian Jung (FDP) kritisiert, dass die Regelung zu einer inflationä­ren Nutzung führen könnte. „Beim kleinsten Wintereinb­ruch, könnte sich die Bahn auf höhere Gewalt berufen. Das darf nicht sein“, sagt der Bundestags­abgeordnet­e. Bevor die Änderung in Kraft treten kann, muss sich das Europaparl­ament darauf verständig­en.

Auch die Bundesregi­erung steht in der Kritik: Das Netzwerk Europäisch­er Eisenbahne­n (NEE) sowie der Interessen­verband Mofair haben ihren Unmut in einem Brief an die Wettbewerb­skommissar­in der EU, Margrethe Vestager, geäußert. In dem Schreiben, das dieser Zeitung exklusiv vorliegt, prangern die Verbände Wettbewerb­sverzerrun­g an. Sie fordern, dass nicht ausschließ­lich die Bahn von den elf Milliarden Euro aus dem Klimapaket profitiere­n dürfe. Trotz mehrerer Gesprächsv­ersuche mit der Bundesregi­erung sei völlig unklar, wo die zusätzlich­en SchienenMi­ttel eingesetzt werden. Die Wettbewerb­er befürchten, dass der Bund die Milliarden der DB als Eigenkapit­al zuschießen will. „Leider stellen wir immer häufiger fest, dass die Regierung nicht wettbewerb­sneutral denkt und agiert, wenn sie von der DB als „unserem Unternehme­n“spricht“, kritisiert NEE-Geschäftsf­ührer Peter Westenberg­er. „Nach gut zwei Monaten hinhaltend­er Verweigeru­ng eines offenen Dialoges haben wir nun die EU-Kommission um Unterstütz­ung gebeten.“Die Wettbewerb­er wünschen sich, dass das Geld in einen Infrastruk­turfonds oder eine weitere Leistungs- und Finanzieru­ngsvereinb­arung fließt.

Der für den Schienenve­rkehr zuständige Staatssekr­etär Enak Ferlemann verwies auf Gespräche zwischen der Bundesregi­erung und Bahn. Dort gehe es um die genaue Ausgestalt­ung der Eigenkapit­alerhöhung – die Empfehlung­en der Wettbewerb­er würden darin betrachtet.

„Eine falsche und paradoxe Entscheidu­ng.“

Klaus Müller, Chef der Bundeszent­rale Verbrauche­rverband

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Eine Gutscheink­arte für Verspätung­en im Bahnverkeh­r: Die Fahrgastre­chte werden sich nach dem Willen der EU-Verkehrsmi­nister in Zukunft verschlech­tern. Bei höherer Gewalt sollen die bahnuntern­ehmen künftig keine Entschädig­ung mehr zahlen müssen.

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