Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Wir hatten eine sagenhafte Kameradschaft“
Wenn die „goldenen Kressbronner Fußballzeiten“wach werden – Die „Legenden“treffen sich seit 1982
KRESSBRONN (sig) - Sie sind in der Saison 1966/67 in die SchwarzwaldBodensee-Liga aufgestiegen, die identisch mit der württembergischen ersten Amateurliga war, und sie trugen mitentscheidend zu den „goldenen Zeiten von Kressbronn“bei, für den der Sport und die Musik sorgten. Denn nicht nur die Fußballer waren eine bekannte Adresse im Land: Auch die Dorfmusikanten waren ein überregionaler Begriff, und die Kressbronner Turner feierten ihre Württembergische Meisterschaft. Seit 1982 treffen sich die „Fußball-Legenden“jedes Jahr in Kressbronn. Diesmal in der „Frohen Aussicht“in Kümmertsweiler.
Von der Einwohnerzahl her kamen die Kressbronner Kicker aus der kleinsten Gemeinde in der Schwarzwald-Bodensee-Liga, aus der einige wie Sepp Müller aus Langenargen (FK Pirmasens), Charly Mrosko aus Lindau (Bayern München) oder Hermann Ohlicher (VfB Stuttgart), der zuvor für den FV Ravensburg die Stiefel geschnürt hatte, Profis geworden waren. Andere spielten in der württembergischen Auswahl und wurden später Trainer, die sie heute noch bis im fernen Ausland sind.
Aufgestiegen aus der zweiten Amateurliga waren die Rot-Weißen nach einem Torverhältnis von eindrucksvollen 125:25. Und in den ersten vier Spielen in der höchsten Amateurklasse ging es zunächst so weiter. Die Partien wurden alle gewonnen. Das erste Tor überhaupt schoss Sigi Staege. Als Vizemeister hat man um die deutsche Amateurmeisterschaft gespielt.
Kressbronn war vor allem eine Heimmacht, erinnert sich Eugen Dürr, heute im Ehrenamt stellvertretender Vorsitzender des Bezirkssportgerichts, damals einer der Stützen des SV. Er betont: „Wir hatten eine sagenhafte Kameradschaft.“Was auch ein Grund dafür ist, dass die Legenden selbst im mittlerweile hohen Alter jedes Jahr aus ganz Deutschland nach Kressbronn anreisen.
Denn sie haben nicht vergessen: „Schöner war es nirgendwo.“Sonntagmorgens um 9 Uhr ging es zu den Auswärtsspielen, spät am Abend kam man erst nach Hause. Erst recht, wenn es einen Sieg zu feiern galt, dann wurde beim Einkehren derart eindrucksvoll gesungen, dass man von anderen Gästen als Gesangverein gedeutet wurde.
Über die Schwarzwald-Bodensee-Liga, der „Talentschmiede des
Profifußballs“, hat der ehemalige Kicker und langjährige Fußballtrainer Gerhard „Lee“Doll ein längst vergriffenes Buch geschrieben. Ein Buch, das gleichzeitig als eine Art Hommage an jene Fußball-Legenden zu verstehen ist, die diese zwei Jahrzehnte zu unvergesslichen FußballJahren machten, zu einem goldenen Zeitalter des Amateurfußballs, mit exzellenten Kickern – und „fantastischen Kumpels“, unter denen schwäbisch, badisch, bayerisch und von Wandervögeln aus dem Westen und Norden auch hochdeutsch gesprochen wurde, wie er berichtet.
Der SV Kressbronn hatte seine erfolgreichste Fußballzeit zwischen 1967 und 1969. Insider wissen: Wenn ein Verein mit dem damals großen FC Singen 04 kurzfristig auf Augenhöhe war, dann sagte dies viel über seine Spielstärke aus. Und spielstark waren sie, die Rot-Weißen – erst recht, wenn ins Ried 2500 Zuschauer strömten. Überragend die Brüder Fritz und Werner Hochfeld und Felix Petrowski im Sturm, Erwin Hecht im Mittelfeld und Libero Eberhard „Ebs“Stahl. Mit dem Vorsitzenden Kurt Oechsle, den Brüdern Karl und Georg Maier sowie später Willi „Bena“Schöll, hatten sie gleich mehrere Top-Funktionäre an ihrer Spitze, deren Stärke es war, für gute Harmonie sowie beste Kameradschaft zu sorgen, die sie bis heute pflegen.
Wie wichtig den Spielern die Atmosphäre im Verein war, mag ein Beispiel verdeutlichen: Als Trainer Max Merkel vom TSV 1860 München den Kressbronner „Jahrhundertspieler“Fritz Hochfeld an die Isar holen wollte, um ihn neben Rudi Brunnenmeier im Sturm und als Ergänzung zu Peter Grosser im 60er-Mittelfeld zu platzieren, erteilte ihm Hochfeld eine Abfuhr. Er blieb beim SV Kressbronn. Er war das sportliche Vorbild im Verein, Schlüssel zum Aufstieg und Vater der vorbildlichen Kameradschaft. Auch sein Bruder Werner spielte – bis auf eine Saison bei der SpVgg Lindau – immer in Kressbronn. Er galt als „Bomber vom Bodensee“, weil er den härtesten Schuss sowohl in der zweiten Amateurliga Oberschwaben als auch in der Schwarzwald-Bodensee-Liga hatte. Die Torhüter hatten Angst, wenn er zum Freistoß oder Elfmeter antrat.
Ein anderer dieses Kalibers war der aus der Talentschmiede des FV Langenargen gekommene Josef „Sepper“Müller. Im Alter von 20 Jahren wechselte er nach Kressbronn, wurde Torschützenkönig in der zweiten Amateurliga und stieg mit den Rot-Weißen wieder in die Schwarzwald-Bodensee-Liga auf. Auch dort trumpfte er groß auf und schoss den SBV ins Spitzentrio. Die SZ schrieb damals: „Neuling Kressbronn kein ‚Kanonenfutter‘ der SBL.“„Sepper“erhielt vom FC Bayern eine Einladung zum Probetraining, wechselte aber zum FV Ravensburg, spielte in der württembergischen Auswahl und ab Sommer 1975 beim FK Pirmasens in der zweiten Bundesliga-Süd. Zwei Jahre hielt es ihn in der Fremde, ehe es ihn zurück an den See zog und er den VfB Friedrichshafen als Stürmer und Kapitän verstärkte.
Wieder einmal wurden beim „Legenden-Treffen“Erinnerungen wach an eine wunderbare Zeit, auf dem Platz und anderswo. Das soll auch in den nächsten Jahren so sein, versprachen sich die Kicker der goldenen Zeit in die Hand.