Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mehrheit stützt die GroKo
Deutsche trotz Unzufriedenheit für Erhalt bis 2021
BERLIN (dpa/sz) Zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent) sind laut des aktuellen ARDDeutschlandtrends mit der Arbeit der Bundesregierung weniger beziehungsweise gar nicht zufrieden. Trotzdem wünscht sich eine Mehrheit der Deutschen, dass die Große Koalition aus Union und SPD bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 weiterarbeitet. 64 Prozent der Bürger fänden das laut der Umfrage von InfratestDimap gut. Anhänger aller im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der AfD befürworten einen Fortbestand der Großen Koalition.
Auch die Sozialdemokraten wollen auf ihrem an diesem Freitag beginnenden Bundesparteitag eine Abstimmung über einen Ausstieg vermeiden. Allerdings deutet sich zwischen dem eher linken JusoChef Kevin Kühnert und Arbeitsminister Hubertus Heil eine Kampfkandidatur um den Posten des VizeParteivorsitzenden an.
BERLIN „Am Nikolaus ist GroKoAus“hatten die Jusos schon freudig gedichtet. Wohl zu früh. Denn JusoChef Kevin Kühnert, der jetzt SPDVize werden will, hat seine Meinung geändert. Man müsse vom Ende her denken, ermahnt er die Partei zur Vorsicht. Und die mutmaßlich neuen Parteichefs Norbert WalterBorjans und Saskia Esken kündigen an, dass auch sie nicht „Hals über Kopf aus der Großen Koalition“herauswollen.
Am Freitag beginnt der Parteitag der SPD in Berlin. Unumstritten ist die Wahl der beiden neuen Parteivorsitzenden, die aus dem Mitgliederentscheid als Sieger hervorgingen. Heftig diskutiert wurde aber der KompromissLeitantrag. Der noch von der alten Mannschaft erstellte Leitantrag sollte jetzt dem neuen Spitzenteam, den GroKoSkeptikern, entgegenkommen.
Am Mittag traten Saskia Esken und Norbert WalterBorjans gemeinsam zu einem Statement vor die Presse. Man habe einen sehr guten KompromissLeitantrag, sagt Esken, der die Halbzeitbilanz der Regierung ziehe und gleichzeitig überlege, was man noch umsetzen muss. „Sie werden nachvollziehen, dass es nicht die reine Lehre sein kann“, so Esken.
„Wir haben auf der langen Strecke immer gesagt, dass wir am Ende zusammenstehen wollen“, betont WalterBorjans. Das sei gut gelungen. „Wir zeigen, dass niemand verloren hat.“Die HalbzeitBilanz der Bundesregierung fällt positiv aus. In drei wichtigen Feldern, dem Klimaschutz, massiven Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen wie dem Mindestlohn, will die SPD aber weit mehr als die Union. Deshalb sollen weitere Gespräche mit dem Koalitionspartner geführt werden. Die soll dann der Parteivorstand bewerten. „Es wird niemand erwarten können, dass wir heute eine Entscheidung treffen, dass wir ohne Wenn und Aber in der Koalition bleiben“, sagt Borjans. Allerdings ist der Leitantrag so formuliert, dass er jegliche Drohungen mit einem Ende der Koalition vermeidet.
Im Leitantrag werden keine Bedingungen formuliert, unter denen man aus der GroKo aussteigt. Die Parteilinke will nun einen entsprechenden Antrag stellen. Die Ulmer Abgeordnete Hilde Mattheis, Vorsitzende der Demokratischen Linken DL 21, sagt, die SPD müsse sich jetzt auf Inhalte konzentrieren, etwa auf Verteilungsfragen und soziale Gerechtigkeit. „Für mich sind diese Themen nur umsetzbar außerhalb der Großen Koalition“, sagt Mattheis. Der SPDParteitag müsse das entscheiden.
Mit Spannung erwartet wird die Rede von Finanzminister Olaf Scholz. Im Leitantrag wird die zunehmende ökonomische Ungleichheit beklagt, und ein hoher Bedarf an zusätzlichen Investitionen festgestellt. Institute beziffern ihn auf 450 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. „Wir teilen diese Auffassung“, heißt es zurückhaltend im Leitantrag. Und das dürfe nicht an „dogmatischen Positionen wie Schäubles schwarzer Null scheitern“. Nur: Finanzminister Scholz hat bislang ebenfalls an der schwarzen Null festgehalten.
Beim Personal setzen WalterBorjans und Saskia Esken auf ein Stück
Kontinuität im WillyBrandtHaus. Sie kündigen an, dass sie Lars Klingbeil weiterhin als Generalsekretär vorschlagen wollen. Klingbeil war von Martin Schulz geholt worden. Als stellvertretende Parteivorsitzende kandidieren Klara Geywitz, die an der Seite von Olaf Scholz um den Parteivorsitz gekämpft und verloren hat, außerdem die saarländische SPDChefin Anke Rehlinger.
Für den dritten Stellvertreterposten wollen JusoChef Kevin Kühnert und Arbeitsminister Hubertus Heil antreten. Daran zeigt sich, dass sich in der SPD zwei Lager gegenüberstehen. In der „Süddeutschen Zeitung“machen Esken und WalterBorjans deutlich, dass sie sich Kühnert wünschen. „Es ist für die Zukunftsfähigkeit ganz entscheidend, dass wir junge Leute wie Kevin Kühnert an verantwortlicher Stelle einbinden“, sagte Esken.
Macht Heil als amtierender Minister das Rennen oder Kühnert, der als neuer Kopf die Partei nach links treiben will? Das wird die spannende Frage sein. Es sei denn, der Parteitag entscheidet sich, die Stellvertreterriege doch nicht wie geplant zu halbieren, sondern nur auf vier zu begrenzen.