Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Star im Wahlkampf Schauspieler Hugh Grant hilft den Liberaldemokraten
StarSchauspieler Hugh Grant macht im britischen Wahlkampf Furore
LONDON Bekannt ist er vor allem für KinoRomanzen. Aktuell tritt der britische Schauspielstar Hugh Grant aber in einer ganz anderen verzwickten Geschichte auf: beim Wahlkampf um Großbritanniens Austritt aus der EU. Das Motto: „Hauptsache gegen Johnson“.
Eine neue Laufbahn als Politiker? Kurz nachgedacht hat Hugh Grant über diesen Berufswechsel, sich dann aber doch dagegen entschieden. Einer Parteilinie zu folgen, dazu sei er denn doch „zu alt und zu selbstgefällig“, sagt der Schauspielstar augenzwinkernd.
Dem lahmen Wahlkampf in Grossbritannien verleiht der 59Jährige („Notting Hill“, „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) nun ein wenig Glamour und wirbt im ganzen Land für Stimmen. Es geht, daran lässt Grant keinen Zweifel, nicht um eine bestimmte Partei, sondern um die AntiBrexitAllianz: Wo immer eine Kandidatin oder ein Kandidat Chance hat, den Vertreter von Boris Johnsons Torys zu schlagen, ist der Schauspieler zur Stelle, nimmt an Kundgebungen teil, klopft an Haustüren.
Und so wirbt Grant in der westlichen Grafschaft Devon für die unabhängige Lokalpolitikerin Claire Wright, macht sich am Sonntag im NordLondoner Stadtteil Finchley für die frühere LabourFrau und jetzige liberaldemokratische LibdemKandidatin Luciana Berger stark, schwört am Dienstag die Menschen in Beaconsfield auf den liberalen ExTory Dominic Grieve ein und kämpft am Mittwoch um Stimmen für LabourFrau Faiza Shaheen, die im Londoner Nordosten den BrexitHaudegen Iain Duncan Smith verdrängen will.
Besonders Grants Nahkampf mit dem Wahlvolk fasziniert die britischen Medien. Ob das schwierig für ihn sei, die Leute daheim zu behelligen, wird Grant gefragt. Die Antwort fällt, je nach Standpunkt, fröhlich oder ein wenig selbstgefällig aus: „Ich habe früher mal Feuerlöscher an der Haustür verkauft. Da war ich sehr gut.“
Die britischen Medien und der einstige Protagonist romantischer Kömödien – das ist eine nicht immer konfliktfreie Konstellation. Als der Skandal um das illegale Abhören von PromiTelefonaten und die damit verbundene Polizeikorruption aufflog, profilierte sich Grant als Sprecher der Betroffeneninitiative Hacked Off. Unter dem Druck der Aktivisten musste Medienzar Rupert Murdoch seine Postille „News of the World“schließen, der Schutz der Privatsphäre wurde verbessert. Auch von Politikern hat der Schauspieler keine hohe Meinung, wie er im vergangenen Jahr anlässlich der Ausstrahlung des BBCDreiteilers
„A Very English Scandal“mitteilte. Darin spielte Grant den liberalen Politiker Jeremy Thorpe, der 1979 über ein Mordkomplott gegen seinen früheren Liebhaber stolperte.
Wehe also jenen, die den Wahlhelfer für ihre Partei vereinnahmen wollen. Die Liberaldemokraten zogen sich zu Wochenbeginn Grants Zorn auf sich, weil sie Bilder von seinem Auftritt mit Berger auf den sozialen Netzwerken verschickten mit der Parole: „Nur mit uns ist der Brexit zu verhindern.“Unsinn, antwortete der Helfer postwendend: Die dritte landesweite Partei habe die AntiBrexitBewegung nicht gepachtet. Tatsächlich zerfällt das Land durch das Mehrheitswahlrecht in 650 Einzelschlachten: Jeder Wahlkreis wählt nur einen Abgeordneten, alle anderen Stimmen fallen unter den Tisch. Während auf Seiten der Austrittsbefürworter die BrexitParty in mehr als 300 Wahlkreisen für die Konservativen das Feld räumte, bleiben Labour und Liberaldemokraten in vielen Bezirken bittere Rivalen – eine der Ursachen, warum die Umfragen einen Sieg der Regierungspartei vorhersagen. Immerhin haben die kleineren Parteien Absprachen getroffen, zogen Grüne, Libdems und die walisische Nationalpartei Plaid Cymru einige ihrer Kandidatinnen zurück. In Nordirland ruft die irischrepublikanische Sinn Féin in einem Wahlkreis sogar zur Stimmabgabe für Sylvia Hermon auf, deren verstorbener Mann einst die bei Republikanern verhasste nordirische Polizeitruppe RUC leitete.
Prominente BrexitGegner wie Grant, die Geschäftsfrau Gina Miller oder Labours ExSpindoktor Alistair Campbell rufen unermüdlich zu taktischem Vorgehen auf und weisen auf die zahlreichen Internetseiten hin. Dort lässt sich für jeden Bezirk nachlesen, welche Frau oder welcher Mann die besten Erfolgschancen hat. Tatsächlich wollen Befragungen zufolge ein Drittel der Briten ihre Stimme nach taktischen Gesichtspunkten vergeben, also nicht unbedingt die Partei ihrer Wahl ankreuzen.
„Hauptsache gegen Johnson“– mit diesem Motto trifft Grant den Nerv jenes Teils der Bevölkerung, der noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben hat, den Brexit doch noch verhindern zu können. Wahrscheinlich wäre der erfolgreiche Charakterdarsteller auch der populärere Premierminister – wie 2003, als er in der schmalzigen Romcom „Love, Actually“den Bewohner der Downing Street spielt, der den Besuch eines arroganten und sexistischen USPräsidenten erdulden muss. Johnson und seine Vorgängerin Theresa May haben die delikate Situation bereits erlebt. Eine Woche vor dem Urnengang spricht trotz Grants Bemühungen fast alles dafür, dass Johnson noch häufiger in die Verlegenheit kommt.