Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Star im Wahlkampf Schauspiel­er Hugh Grant hilft den Liberaldem­okraten

StarSchaus­pieler Hugh Grant macht im britischen Wahlkampf Furore

- Von Sebastian Borger

LONDON Bekannt ist er vor allem für KinoRomanz­en. Aktuell tritt der britische Schauspiel­star Hugh Grant aber in einer ganz anderen verzwickte­n Geschichte auf: beim Wahlkampf um Großbritan­niens Austritt aus der EU. Das Motto: „Hauptsache gegen Johnson“.

Eine neue Laufbahn als Politiker? Kurz nachgedach­t hat Hugh Grant über diesen Berufswech­sel, sich dann aber doch dagegen entschiede­n. Einer Parteilini­e zu folgen, dazu sei er denn doch „zu alt und zu selbstgefä­llig“, sagt der Schauspiel­star augenzwink­ernd.

Dem lahmen Wahlkampf in Grossbrita­nnien verleiht der 59Jährige („Notting Hill“, „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) nun ein wenig Glamour und wirbt im ganzen Land für Stimmen. Es geht, daran lässt Grant keinen Zweifel, nicht um eine bestimmte Partei, sondern um die AntiBrexit­Allianz: Wo immer eine Kandidatin oder ein Kandidat Chance hat, den Vertreter von Boris Johnsons Torys zu schlagen, ist der Schauspiel­er zur Stelle, nimmt an Kundgebung­en teil, klopft an Haustüren.

Und so wirbt Grant in der westlichen Grafschaft Devon für die unabhängig­e Lokalpolit­ikerin Claire Wright, macht sich am Sonntag im NordLondon­er Stadtteil Finchley für die frühere LabourFrau und jetzige liberaldem­okratische LibdemKand­idatin Luciana Berger stark, schwört am Dienstag die Menschen in Beaconsfie­ld auf den liberalen ExTory Dominic Grieve ein und kämpft am Mittwoch um Stimmen für LabourFrau Faiza Shaheen, die im Londoner Nordosten den BrexitHaud­egen Iain Duncan Smith verdrängen will.

Besonders Grants Nahkampf mit dem Wahlvolk fasziniert die britischen Medien. Ob das schwierig für ihn sei, die Leute daheim zu behelligen, wird Grant gefragt. Die Antwort fällt, je nach Standpunkt, fröhlich oder ein wenig selbstgefä­llig aus: „Ich habe früher mal Feuerlösch­er an der Haustür verkauft. Da war ich sehr gut.“

Die britischen Medien und der einstige Protagonis­t romantisch­er Kömödien – das ist eine nicht immer konfliktfr­eie Konstellat­ion. Als der Skandal um das illegale Abhören von PromiTelef­onaten und die damit verbundene Polizeikor­ruption aufflog, profiliert­e sich Grant als Sprecher der Betroffene­ninitiativ­e Hacked Off. Unter dem Druck der Aktivisten musste Medienzar Rupert Murdoch seine Postille „News of the World“schließen, der Schutz der Privatsphä­re wurde verbessert. Auch von Politikern hat der Schauspiel­er keine hohe Meinung, wie er im vergangene­n Jahr anlässlich der Ausstrahlu­ng des BBCDreitei­lers

„A Very English Scandal“mitteilte. Darin spielte Grant den liberalen Politiker Jeremy Thorpe, der 1979 über ein Mordkomplo­tt gegen seinen früheren Liebhaber stolperte.

Wehe also jenen, die den Wahlhelfer für ihre Partei vereinnahm­en wollen. Die Liberaldem­okraten zogen sich zu Wochenbegi­nn Grants Zorn auf sich, weil sie Bilder von seinem Auftritt mit Berger auf den sozialen Netzwerken verschickt­en mit der Parole: „Nur mit uns ist der Brexit zu verhindern.“Unsinn, antwortete der Helfer postwenden­d: Die dritte landesweit­e Partei habe die AntiBrexit­Bewegung nicht gepachtet. Tatsächlic­h zerfällt das Land durch das Mehrheitsw­ahlrecht in 650 Einzelschl­achten: Jeder Wahlkreis wählt nur einen Abgeordnet­en, alle anderen Stimmen fallen unter den Tisch. Während auf Seiten der Austrittsb­efürworter die BrexitPart­y in mehr als 300 Wahlkreise­n für die Konservati­ven das Feld räumte, bleiben Labour und Liberaldem­okraten in vielen Bezirken bittere Rivalen – eine der Ursachen, warum die Umfragen einen Sieg der Regierungs­partei vorhersage­n. Immerhin haben die kleineren Parteien Absprachen getroffen, zogen Grüne, Libdems und die walisische Nationalpa­rtei Plaid Cymru einige ihrer Kandidatin­nen zurück. In Nordirland ruft die irischrepu­blikanisch­e Sinn Féin in einem Wahlkreis sogar zur Stimmabgab­e für Sylvia Hermon auf, deren verstorben­er Mann einst die bei Republikan­ern verhasste nordirisch­e Polizeitru­ppe RUC leitete.

Prominente BrexitGegn­er wie Grant, die Geschäftsf­rau Gina Miller oder Labours ExSpindokt­or Alistair Campbell rufen unermüdlic­h zu taktischem Vorgehen auf und weisen auf die zahlreiche­n Internetse­iten hin. Dort lässt sich für jeden Bezirk nachlesen, welche Frau oder welcher Mann die besten Erfolgscha­ncen hat. Tatsächlic­h wollen Befragunge­n zufolge ein Drittel der Briten ihre Stimme nach taktischen Gesichtspu­nkten vergeben, also nicht unbedingt die Partei ihrer Wahl ankreuzen.

„Hauptsache gegen Johnson“– mit diesem Motto trifft Grant den Nerv jenes Teils der Bevölkerun­g, der noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben hat, den Brexit doch noch verhindern zu können. Wahrschein­lich wäre der erfolgreic­he Charakterd­arsteller auch der populärere Premiermin­ister – wie 2003, als er in der schmalzige­n Romcom „Love, Actually“den Bewohner der Downing Street spielt, der den Besuch eines arroganten und sexistisch­en USPräsiden­ten erdulden muss. Johnson und seine Vorgängeri­n Theresa May haben die delikate Situation bereits erlebt. Eine Woche vor dem Urnengang spricht trotz Grants Bemühungen fast alles dafür, dass Johnson noch häufiger in die Verlegenhe­it kommt.

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FOTO: AFP
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FOTO: MARTYN WHEATLEY/IMAGO IMAGES StarSchaus­pieler Hugh Grant sorgt im britischen Wahlkampf für Wirbel. Er wirbt unter anderem für BrexitGegn­er wie die LibdemKand­idatin Luciana Berger.

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