Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Merkel besucht erstmals Auschwitz

Deutschlan­d unterstütz­t Stiftung AuschwitzB­irkenau künftig mit 60 Millionen Euro

- Von Gabriele Lesser

WARSCHAU Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat in ihren bisher 14 Amtsjahren das Nachbarlan­d Polen immer wieder besucht. Nur in einem Ort war sie bislang noch nicht: Oswiecim mit dem ehemaligen nazideutsc­hen Konzentrat­ions und Vernichtun­gslager AuschwitzB­irkenau. Sie nahm an keiner der jährlichen Gedenkfeie­rn zur Befreiung des KZs am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee teil.

Doch wenn sie am Freitag nach Auschwitz kommt – auf Einladung der Stiftung AuschwitzB­irkenau – wird sie es nicht mit leeren Händen tun. Bund und Länder wollen das bisherige Stammkapit­al der Stiftung um jeweils 30 Millionen Euro aufstocken. Merkel wird dies am heutigen Freitag in der sogenannte­n „Sauna“, einer Baracke im ehemaligen NSVernicht­ungslager Birkenau, verkünden. Die „Sauna“war keine Gaskammer, sondern diente als große Duschanlag­e für die neu in AuschwitzB­irkenau eintreffen­den Juden aus ganz Europa. Das Gebäude wurde in den letzten Jahren instandges­etzt und ist seither für Besucher zugänglich.

„Als wir vor zehn Jahren die Stiftung AuschwitzB­irkenau gründeten, gingen wir davon aus, dass das angestrebt­e 120 MillionenE­uro Stammkapit­al genügend Zinsen abwerfen würde, um damit die jährlichen Instandhal­tungskoste­n begleichen zu können“, erklärt Stiftungs und Gedenkstät­tenDirekto­r Piotr Cywinski. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der polnische Staat die Kosten für alle ehemaligen deutschen NSLagerGed­enkstätten auf polnischem Boden allein getragen. „Doch dann kam die Finanzkris­e und die Erträge sanken“, so Cywinski weiter. „Von allen Regierunge­n, die unsere Stiftung unterstütz­en, reagierte die deutsche als erste auf unseren Bericht und bot 60 Millionen Euro zur Erhöhung des Stammkapit­als an.“

Man habe vereinbart, dass die Kanzlerin zum zehnjährig­en Bestehen der Stiftung anreisen und in AuschwitzB­irkenau die Erhöhung des deutschen Anteils am Stammkapit­al auf 120 Millionen Euro bekannt geben werde. Insgesamt wird das Stammkapit­al damit zunächst auf 180 Millionen Euro steigen.

Begleitet wird die Kanzlerin von Polens Premier Mateusz Morawiecki und dem AuschwitzÜ­berlebende­n Bogdan Bartnikows­ki, der als Zwölfjähri­ger während des Warschauer Aufstandes im August 1944 in dieses SSLager deportiert wurde. Ronald Lauder, der Vorsitzend­e des Jüdischen Weltkongre­sses, wird aus New York anreisen, um der Kanzlerin die Arbeit der Konservato­ren in Auschwitz vorzustell­en. Auch Josef Schuster, der Vorsitzend­e des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, wird Merkel auf ihrem Gang durch das Tor mit der berüchtigt­en Aufschrift „Arbeit macht frei“ins sogenannte Stammlager Auschwitz I und später ins drei Kilometer entfernt liegende ehemalige Vernichtun­gslager AuschwitzI­IBirkenau begleiten. Im Stammlager wird die Kanzlerin mit einer Schweigemi­nute Tausender Nichtjuden gedenken, die hier erschossen wurden. Insgesamt starben hier rund 100 000 Menschen, darunter rund 70 000 bis 80 000 Polen.

Im ehemaligen NSVernicht­ungslager AuschwitzB­irkenau wird die Kanzlerin den Gleisen durch das breite Tor bis zur Rampe folgen, in der „Sauna“eine Rede halten und später am großen Mahnmal zwischen den beiden großen GaskammerR­uinen einen Kranz niederlege­n für die über eine Million europäisch­er Juden, die hier ermordet wurden.

90 Prozent der polnischen Juden

Auch wenn AuschwitzB­irkenau heute weltweit als Symbol für die Shoah angesehen wird, so sind die meisten polnischen Juden doch nicht hier, sondern in den drei Lagern der sogenannte­n „Aktion Reinhard“weiter östlich ermordet wurden: Treblinka bei Warschau, Sobibor und Belzec bei Lublin. Auch das ehemalige deutsche Konzentrat­ions und Vernichtun­gslager Majdanek, das ebenfalls bei Lublin liegt, gehört teilweise dazu. Insgesamt ermordeten die Deutschen über 90 Prozent aller damals in Polen lebenden Juden – über drei Millionen von einst 3,5 Millionen Menschen jüdischen Glaubens.

Vor Merkel haben in Auschwitz auch die Kanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl den Opfern der NaziOkkupa­tion in Polen gedacht.

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FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA Die KZGedenkst­ätte AuschwitzB­irkenau ist Symbol für den Naziterror.

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