Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Nietzsche und der Nikolaus
Rechnen gehört normalerweise nicht zu den Disziplinen, die für diese freitägliche Rubrik vonnöten sind. Nun musste es einmal sein. Wann war der Nikolaustag, also der 6. Dezember, zum letzten Mal an einem Freitag? Die Lösung: Das letzte Mal fiel der Nikolaustag 2013 auf einen Freitag, und das vorletzte Mal – weil er einmal wegen eines Schaltjahres übersprungen wurde – im Jahr 2002.
So oft kommt es also nicht vor. Deswegen können wir hier ruhig einmal über den Nikolaus reden und zum Beispiel klären, woher er seinen Namen hat. Der Bischof von Myra – einer der volkstümlichsten Heiligen des Christentums und mit zahlreichen Legenden und Bräuchen verbunden – stammte aus Lykien an der Südküste der heutigen Türkei. Weil diese Landschaft zur Zeit seiner Geburt um 280 dem griechischrömischen Kulturkreis angehörte, trug er einen griechischen Namen: Nikolaos, von nike (Sieg) und laos (Volk). Was uns übrigens kurz an die Bildung unserer germanischen Vornamen denken lässt: Sieg fried (sigu = Sieg und fridu = Friede), Siegmund (sigu und munt
= in heutigem Deutsch Schutz der Unmündigen), Siegmar (sigu und mari = berühmt), um nur die bekannteren zu nennen. Auch Siegbald, Siegbert, Siegbrand, Sieghard, Siegolf, Siegram, Sieg
wald oder Siegward waren einst geläufig. Welche enormen Auswirkungen der Nikolauskult über Jahrhunderte hatte, lässt sich an unseren Vornamen ablesen. Neben Nikolaus gibt es Ni
klas, Nicola, Nikolai, aber auch Kurzformen wie Nico, Nick, Nils, Klaus,
Claus oder Klaas – und das sind jetzt nur einige wenige Beispiele aus den Standesamtslisten. Schaut man ins Ausland, so kommen noch sehr viele Varianten dazu – auch manche, bei denen wir gar nicht sofort an Nikolaus denken: Kolja, Colin, Koko, Mik
los, Mikula etc.
Nun gibt es aber in unserer Sprache auch das Phänomen der Bildung von Familiennamen aus Vornamen – ein komplexer Prozess, der im 12. Jahrhundert einsetzte. Dabei wurde Ni
kolaus zum Paradebeispiel für einen besonders fruchtbaren Namen. Im FamiliennamenDuden wird angesichts der großen Anzahl dieser Ni
kolausAbkömmlinge nur eine Auswahl aufgelistet – und das sind auch schon rund 80! Wir lassen es hier mit ein paar Beispielen bewenden, die vor allem die starken Unterschiede durch die jeweiligen Dialekte spiegeln: Nickelsen, Nigg, Claasen, Klasing, Klages, Kloos, Laas, Lohse, Klosa, Klauck, Miksch, Mikolaschek, und auch der atheistische Philosoph
Friedrich Nietzsche verdankt pikanterweise seinen Nachnamen dem heiligen Nikolaus.
Wie wirkmächtig dieser Bischof bis heute ist, sieht man übrigens gerade an einem Slogan der letzten Tage: An Nikolaus ist GrokoAus, tönten einige SPDMitglieder vor dem heute beginnenden Parteitag. Jetzt wird schon wieder das Gegenteil verkündet: An Nikolaus kein GrokoAus. Aber wie man die SPD kennt, muss das ja nicht das letzte Wort sein. Vielleicht täte ihr mal ein Knecht Ruprecht gut.
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