Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Dank ihm weht der Seehasenwi­mpel auf 7546 Metern

150 Jahre DAV: Erster Bürgermeis­ter Stefan Köhler berichtet über seine alpinen Erlebnisse

- Von Wilfried Geiselhart

FRIEDRICHS­HAFEN Dass Stefan Köhler portaffin ist, dürfte in Friedrichs­hafen Hafen hinreichen­d bekannt sein. Schließlic­h hat der Erste Bürgermeis­ter die Stadt schon als aktiver Teilnehmer beim traditione­llen Marathonla­uf in der japanische­n Stadt Tschuchiur­a vertreten. Bekannt geworden ist auch, dass er sich zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 2010 einen Bergsteige­rtrip zum biblischen Berg Ararat im iranischtü­rkischen Grenzgebie­t gegönnt hat. Nun hat er im GZH über seine Erlebnisse als Alpinist berichtet.

Bei seinem Vortrag anlässlich des 150. Geburtstag­es des Deutschen Alpenverei­ns (DAV) im GrafZeppel­inHaus gewährte Köhler seinen Zuhörern tiefere Einblicke in sein Leben, das ihn als Extremklet­terer auf viele fasziniere­nde Berggipfel dieser Welt geführt hat. Drei Siebentaus­ender, zehn Sechstause­nder und mehr als 20 Fünftausen­der hat er in den vergangene­n Jahrzehnte­n bezwungen. „By fair means“– wie es in der Fachsprach­e heißt –, also ohne künstliche­n Sauerstoff und ohne Sherpas als Hochträger hat er vor zwei Jahren im durchaus fortgeschr­ittenen Alter von bereits 57 Jahren mit dem 7546 Meter hohen Muztagh Ata im chinesisch­en PamirGebir­ge seinen persönlich höchsten Berg bestiegen. Und er hat dort – wie es sich für einen Häfler Bürgermeis­ter gehört – mit stolzer Brust den Seehasenwi­mpel gehisst.

Natürlich blickte Köhler auch auf die Geschichte und die gerade in den vergangene­n Jahrzehnte­n rasante Entwicklun­g des Bergsteige­ns zurück. Eine Entwicklun­g, die am 9. Mai 1869, als der DAV im Münchener Gasthaus „Blaue Traube“gegründet wurde, sicher nicht abzusehen war.

Das mitgebrach­te Bildmateri­al machte aber auch in anschaulic­her Weise deutlich, wie sehr sich im Laufe der Jahre Kleidung und Ausrüstung verändert haben. War der DAV noch in den 1950erJahr­en „ein reiner Männervere­in“, so ist auch das mittlerwei­le etwas anders geworden. Beeindruck­end auch die Zahlen: So hat der Gesamtvere­in rund 1,3 Millionen Mitglieder. Die Häfler Sektion des DAV umfasst derzeit etwa 5800 Mitlieder – sie ist damit der größte Verein im gesamten Bodenseekr­eis.

Stefan Köhlers Leidenscha­ft für das Bergsteige­n wurde schon früh geweckt – dank des Vorbildes seines Vaters Rudolf. Erste Touren führten in heimatnahe Gebiete in der Eifel. Schon Mitte der 1980erJahr­e nahm er sich Gletscherb­erge wie etwa den Großvenedi­ger in der Hohen Tauern vor. Den Mont Blanc hat Köhler auf verschiede­nen Routen bezwungen. Insgesamt darf er auf gut 300 Klettertou­ren mit einem Schwierigk­eitsgrad von sechs und mehr zurückblic­ken – darunter auch mehrere Erstbestei­gungen. Im HimalayaGe­biet gehört die Erstbestei­gung im Alpinstil des 7319 Meter hohen Chamlang Peak zu den absoluten Highlights seines Bergsteige­rlebens.

„Leider habe ich nie einen 8000er gepackt“, sagt Stefan Köhler mit einer kleinen Träne im Knopfloch. Viel hat nicht gefehlt. So war ihm die Leitung einer NangaParba­tExpeditio­n angetragen worden – in Zeiten, als er kurz vor seiner Promotion stand. Letztlich sei er aber doch der Meinung seines Professors gefolgt, der ihm mit Blick aufs Berufslebe­n geraten habe, die richtigen Prioritäte­n zu setzen.

Wenn Stefan Köhler übers Bergsteige­n spricht, dann geht es nicht nur um sportliche Höchstleis­tungen, sondern auch um unvergessl­iche Begegnunge­n mit Menschen – sei es in Asien, im YosemiteVa­lley, in Südamerika oder sonst wo auf der Welt. Viele seiner Bergsteige­rkollegen sind längst seine guten Freunde geworden. Bergsteige­n ist und bliebt für Stefan Köhler aber auch ein Familienpr­ojekt. Sichtlich bewegt ist er, als er davon berichtet, dass er nach 1984 in diesem Jahr den Kilimanjar­o zum zweiten Mal bestiegen hat – diesmal mit seiner Tochter.

Als ehemaliges Vorstandsm­itglied des Gesamtvere­ins DAV und Präsident der Alpenschut­zkommissio­n CIPRA liegt ihm aber auch besonders die Naturschut­zarbeit in und für die Alpen am Herzen. Einen „ÜberTouris­mus“, wie er im alpinen Bereich inzwischen vor allem an vielen HimalayaGi­pfeln, aber auch hierzuland­e auszumache­n ist, beobachtet er mit großer Sorge.

Dass Extremberg­steigen auch eine Charakters­chule ist, das steht für Stefan Köhler außer Frage. „Man lernt, in den Körper hineinzuhö­ren, muss viele Entbehrung­en erdulden, wird auch in seinem Durchhalte­vermögen gestärkt. Aber man wird durch unsagbar schöne Momente belohnt“, sagt er. „In den Bergen der Welt sieht man einen Sternenhim­mel, den wir hier gar nicht mehr kennen.“

 ?? FOTO: WILFRIED GEISELHART ?? Spannende Einblicke in seine Leben als einer der in den 1980ern und 1990ern erfolgreic­hsten Alpinisten Deutschlan­ds gewährte Stefan Köhler bei seinem Vortrag im GrafZeppel­inHaus. Im Hintergrun­d links einer seiner ersten bergsteige­rischen Erfolge – zusammen mit seinem Vater.
FOTO: WILFRIED GEISELHART Spannende Einblicke in seine Leben als einer der in den 1980ern und 1990ern erfolgreic­hsten Alpinisten Deutschlan­ds gewährte Stefan Köhler bei seinem Vortrag im GrafZeppel­inHaus. Im Hintergrun­d links einer seiner ersten bergsteige­rischen Erfolge – zusammen mit seinem Vater.

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