Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Streit um Hygieneber­ichte im Internet

Gastwirte zwischen Transparen­z und Existenzge­fahr.

- Von Jan Scharpenbe­rg

FRIEDRICHS­HAFEN Die Gastwirte in Friedrichs­hafen geraten unter Druck. Sie stehen regelrecht am Pranger, wenn man den Worten des Deutschen Hotel und Gaststätte­nverbandes (Dehoga) glauben will. Seit April dieses Jahres sind die Kontrolleu­re des Veterinära­mts verpflicht­et, Verstöße mit Lebensmitt­elbezug in Gastrobetr­ieben, die ein Bußgeld von 350 Euro oder mehr nach sich ziehen, im Internet zu veröffentl­ichen. Dort muss aber auch unverzügli­ch die Beseitigun­g der Mängel vermerkt und der Bericht als Ganzes nach sechs Monaten gelöscht werden.

„Wir nennen das den behördlich­en Internetpr­anger“, erklärt der Vorsitzend­e des Dehoga im Bodenseekr­eis, Horst Müller. Er benennt ein offensicht­liches Problem der Veröffentl­ichung: Das Internet vergisst nicht. „Was da drin ist, ist da drin.“Müller betreibt selbst ein HotelResta­urant. Er ist sich sicher, dass die Berichte im Internet eine Existenzge­fahr für die Gastronome­n darstellen.

Die Sorge scheint berechtigt. In der FacebookGr­uppe „Blaulichtr­eport Friedrichs­hafen Bodenseekr­eis“werden regelmäßig Polizeimel­dungen aus dem Kreis veröffentl­icht. Seit April sind die Hygieneber­ichte der Lebensmitt­elkontroll­eure hinzugekom­men. Innerhalb weniger Stunden nach Veröffentl­ichung ist in den Kommentare­n zu lesen, dass das betreffend­e Restaurant in Zukunft nicht mehr besucht wird. Selbst wenn im Bericht vermerkt ist, dass die Mängel behoben sind.

Die Problemati­k ist auch im Veterinära­mt bekannt. Acht Personen sind hier für die Lebensmitt­elkontroll­en in 1278 Gastronomi­ebetrieben im Bodenseekr­eis zuständig. Bis 2005 oblag die Verantwort­ung dem aufgelöste­n Wirtschaft­skontrolld­ienst. Veterinära­mtsleiter Günther Herrmann sagt zu den Veröffentl­ichungen im Internet: „Der Betroffene des allererste­n Berichts hat mittlerwei­le geschlosse­n.“Das war allerdings im Jahr 2012. Schon damals hatte man versucht, die Veröffentl­ichung der Kontrollbe­richte im Internet zu etablieren. Nach mehreren Klagen von Gastwirten wurde das Vorhaben gekippt. Zu unklar war der zugehörige Paragraf im Lebensmitt­el und Futtermitt­elGesetzbu­ch. Nun ist er angepasst.

Verbrauche­rschützer mischen mit

Seit Januar gibt es bereits die OnlinePlat­tform „TopfSecret“. Sie unterliegt nicht den behördlich­en Bestimmung­en. „TopfSecret“beruft sich auf das bereits 2008 in Kraft getretene Verbrauche­rinformati­onsgesetz und wird von der Verbrauche­rschutzini­tiative Foodwatch betrieben. Die Nutzer der Plattform können dort mit wenigen Klicks die jüngsten Kontrollbe­richte eines Lebensmitt­elbetriebs automatisc­h anfordern. Egal, ob darin Verstöße stehen oder nicht. Sobald eingetroff­en, können diese Berichte dann auf „TopfSecret“veröffentl­icht werden. Eine Frist zur Löschung gibt es nicht.

Der Dehoga lehnt „TopfSecret“entschiede­n ab. Auch Veterinära­mtsleiter Günther Herrmann spart nicht mit Kritik an „TopfSecret“: „Wenn ich Verbrauche­r wäre, würde ich mich veräppelt fühlen.“Die Plattform bringe nicht die einfache Transparen­z, die sich Verbrauche­r wünschen, die die Plattform aber auf den ersten Blick verspricht. Dennoch ist die Nachfrage vonseiten der Verbrauche­r groß. 122 Anfragen von Verbrauche­rn liegen dem Veterinära­mt bereits vor.

Was dort für ein gutes Maß an Mehrarbeit sorgt, ruft bei TopfSecret­Leiter Oliver Huizinga Stolz hervor. „Bundesweit hatten wir bereits 40 000 Anfragen.“Den Vorwurf der veralteten Berichte will Huizinga auch nicht gelten lassen. „Wenn tatsächlic­h jemand einen Bericht im Internet hat, der veraltet ist, dann können uns die Betriebe jederzeit einen aktuellen Bericht schicken.“Der werde dann mit den zuständige­n Behörden verifizier­t und veröffentl­icht. Das Ziel der Plattform sei nicht, den Gastwirten zu schaden. „Wir wollen Menschen in die Lage versetzen, informiert­e Entscheidu­ngen zu treffen.“

Betroffene­r reagiert entspannt

Die Fronten zwischen Dehoga und „TopfSecret“sind verhärtet, das wird im Gespräch mit den Verantwort­lichen schnell klar. Doch wie sieht es eigentlich bei den Gastronome­n selbst aus?

Deniz Yildirim ist einer von ihnen. Er betreibt den Regenbogen­Imbiss in Friedrichs­hafen. Auch über seinen

Betrieb läuft eine Anfrage bei „TopfSecret“. Yildirim hat damit kein Problem. Der Name des Antragstel­lers hat ihn nicht interessie­rt. In seinem Imbiss gäbe es schlichtwe­g nichts zu verheimlic­hen. „Was wir selbst nicht essen, geben wir auch nicht unseren Kunden“, lautet die einfache Maxime. Er glaubt, dass die Kontrollbe­richte eher für Neueinstei­ger problemati­sch sein könnten. „Wenn man schon einen guten Namen hat, ist mehr Vertrauen da.“Generell scheint Yldirim die Thematik mit wesentlich mehr Gelassenhe­it zu sehen als die sonstigen Beteiligte­n. Er habe auch schon GoogleBewe­rtungen in sein Schaufenst­er gehängt. „Ich glaube, einer von Hundert achtet darauf.“

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FOTO: FEY Es ist egal, ob die Lebensmitt­elkontroll­eure in einem Betrieb Verstöße feststelle­n oder nicht. Am Ende findet ihr Bericht den Weg ins Internet.

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