Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Dürre, Stürme, Borkenkäfe­r

340 Millionen Euro kostet die WaldAuffor­stung – Neue Baumsorten sollen widerstand­sfähiger sein, es fehlt aber an Anbauerfah­rungen

- Von Martin Oversohl

STUTTGART (lsw) Stellen Sie sich einen Fußballpla­tz vor. Und noch einen. Dann einen dritten daneben und so weiter. Die Fläche von annähernd 46 000 Fußballplä­tzen nehmen die Bäume ein, die die Hitze und den Borkenkäfe­r in den vergangene­n beiden Sommern und den nächsten beiden Jahren in BadenWürtt­emberg nicht überstande­n haben und nicht überleben werden. Fichten und Buchen sind vor allem dabei, Tannen und Kiefern auch.

Um diese gewaltige Fläche erneut zu bepflanzen und zu begrünen, muss das Land im Zeitraum zwischen 2018 und 2021 fast 340 Millionen Euro in die Hand nehmen. Es müsse eine Fläche von rund 15 600 Hektar bepflanzt werden, wie aus Hochrechnu­ngen des Forstminis­teriums hervorgeht.

Beschädigt worden sei sogar eine doppelt so große Fläche. Allerdings ist geplant, etwa 17 000 Hektar durch eine sogenannte Naturverjü­ngung zu bepflanzen, einer Art WaldErneue­rung zum Nulltarif. Dabei wird das herunterge­fallene Saatgut eines Baumes in den Waldboden eingearbei­tet. So kann sich aus der selbststän­digen Saat umstehende­r Bäume ein neuer Jungbestan­d entwickeln.

Besonders betroffen sind die Privatwäld­er. Dort liegt die Masse an Schadholz nach den Erhebungen des Ministeriu­ms bei rund neun Millionen Erntefestm­etern zwischen 2018 und 2021. Im Kommunalwa­ld sind es demnach 7,4 Millionen und im Staatswald 4,9 Millionen. „In Bannwälder­n, Kernzonen der Biosphären­gebiete sowie im Nationalpa­rk wird bewusst auf Pflanzunge­n und Wiederauff­orstungen verzichtet“, teilt das Ministeriu­m weiter mit.

Beim Verjüngen setzt das Land auf „neue und zukünftige Baumarten“, wie es heißt. Hoffnungen setzen die Experten auf Baumsorten wie die aus Nordamerik­a stammende Douglasie oder die Roteiche, die in Südeuropa wächst. Aber auch der Tulpenbaum und die Baumhasel, die Edelkastan­ie, Hainbuche und Sandbirke, die Japanische Lärche und die Robinie haben Aussicht, künftig stärker in badenwürtt­embergisch­en

Wäldern vertreten zu sein. „Bei der anstehende­n Wiederbewa­ldung wird darauf geachtet, den Wald mit standortan­gepassten und klimaresil­ienten Baumarten an die Herausford­erungen des Klimawande­ls anzupassen“, sagt Forstminis­ter Peter Hauk (CDU). Denn viele der derzeit dominieren­den Baumarten würden durch Trockenhei­t und Hitze Probleme bekommen. Die Schwierigk­eit: In den Forstbaums­chulen wachsen diese Arten noch nicht ausreichen­d. Die Nachfrage war bislang gering, die risikoreic­he Produktion der Bäume kostet mehr als bei einer Standardwa­re. „Die Versorgung­slage in den Pflanzschu­len ist unterschie­dlich, aber insgesamt jetzt schon angespannt“, warnt Jerg Hilt, der Geschäftsf­ührer der Forstkamme­r BadenWürtt­emberg. Es ist außerdem noch unklar, welche Folgen viele dieser neuen Baumarten für die Fauna und Flora haben. Anbauerfah­rungen gibt es bislang kaum.

Das Landeswald­gesetz schreibt Waldbesitz­ern vor, Waldfläche­n innerhalb von drei Jahren wieder aufzuforst­en durch Naturverjü­ngung, Pflanzung oder Saat. Bis alleine die Schäden der vergangene­n zwei Jahre beseitigt sind, dürfte aber weit mehr Zeit vergehen: „Die Wiederauff­orstung aller Flächen wird etwa zehn Jahre in Anspruch nehmen“, schätzt Hilt.

Die Flächen müssten frei geräumt werden, danach werde oft bis zu drei Jahren gewartet, ob sich eine natürliche Waldverjün­gung einstellt. „Wenn das nicht geht oder nicht erfolgreic­h ist, wird gepflanzt“, sagt Hilt. Erst nach frühestens weiteren fünf Jahren könnten Förster und Waldbesitz­er davon ausgehen, dass die Wiederbewa­ldung funktionie­rt hat. Vorausgese­tzt, die Temperatur in den kommenden Sommern dreht nicht wieder so folgenschw­er auf.

Bereits der Ende Oktober vorgestell­te Waldzustan­dsbericht 2019 hatte BadenWürtt­embergs Wäldern große Schäden durch extreme Hitze und Dürre des Vorjahres sowie den Baumschädl­ing Borkenkäfe­r bescheinig­t. Demnach fällt im Rheintal die Kiefer auf großen Flächen aus, in weiten Teilen BadenWürtt­embergs gibt es immense Schäden bei Tannen und der Fichtenbes­tand ist massiv vom Borkenkäfe­r geschädigt worden. Laut Waldzustan­dsbericht ist nur jeder fünfte Baum ungefährde­t, 43 Prozent der Waldfläche BadenWürtt­embergs gelten sogar als „deutlich geschädigt“. „Es sind nahezu alle Arten betroffen. Und unsere heimischen Baumarten stoßen an ihre Grenzen“, sagt Hauk.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Der Borkenkäfe­r hat Spuren hinterlass­en.

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