Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ein Europapokalsieger in der Bezirksklasse
Jörg Lützelberger führt Lindauer Handballer zum Erfolg – wechselt jetzt aber nach Konstanz
Von Susanne Backmeister
GLINDAU - Es ist eine ungewohnte Situation, in der sich die Handballer des TSV Lindau momentan befinden. Nach der Hinrunde stehen sie auf Platz zwei der Bezirksklasse – und das, obwohl sie in der vergangenen Saison bis zum Schluss um den Klassenerhalt kämpfen mussten. Erst das letzte Spiel und der letzte Ball in der Relegation rettete die Lindauer Handballer vor dem Abstieg. Dass es beim TSV derzeit so gut läuft, ist eng mit einem Namen verbunden: Jörg Lützelberger.
Der 34-Jährige ist nämlich alles andere als ein normaler Bezirksklassenspieler. Mit dem VfL Gummersbach hat Lützelberger dreimal den Europapokal (einmal den EHF-Pokal, zweimal den Europapokal der Pokalsieger) gewonnen. Er blickt auf mehr als 530 Spiele in Bundesliga, DHB- und Europapokal zurück, ist Diplom-Sportwissenschaftler, hat die A-Lizenz als Trainer beim DHB und seit diesem Jahr die Ausbildung zum EHF Master Coach.
Zur Lindauer Mannschaft kam der Profi im April 2019, nachdem er als Trainer von Bregenz Handball in der ersten österreichischen Liga freigestellt worden war. „Ich bin mit meiner Frau und meinen beiden Jungs vor drei Jahren nach Lindau gezogen. Zum einen, weil meine Schwiegereltern in der Nähe wohnen und ich in Bregenz verpflichtet war“, erzählt der gebürtige Suhler. „Auf dem Sofa sitzen war nach dem Ende in Bregenz nicht so mein Ding. Also ging ich zu den Lindauer Handballern.“Die den Profi mit offenen Armen aufgenommen haben. „Es hat Spaß gemacht. Wir haben Freunde gewonnen und es ging sehr schnell, dass die Handballer für uns eine kleine Familie wurden. Auch meine Frau und meine beiden Söhne (vier und sechs Jahre alt) spielen beim TSV Lindau Handball“, schwärmt der Kreisläufer.
Und für die Lindauer war die Unterstützung des Profis sehr wichtig, schließlich stehen die TSV-Handballer seit September dieses Jahres ohne Trainer da. Obwohl er EHF Master Coach ist, sieht sich Lützelberger jedoch nicht als Trainer der Mannschaft: „Ich bringe sicher neue Aspekte rein. Aber das Team hat alles schnell und selbständig umgesetzt. Die Verantwortung ist auf mehrere Schultern verteilt“, erklärt er. Das seien unter anderem der Torwart Thomas Brombeis, Kapitän Robert Broszio und Norbert Knechtel, der Abteilungsleiter. „Handball ist Teamarbeit. Auch ein guter Spieler funktioniert nur im Zusammenspiel als Team. Alleine erreicht er nichts.“Das letzte Spiel vor der Weihnachtspause gegen den Tabellenletzten aus Ulm-Wiblingen gewannen die Lindauer überragend mit 39:15 – ohne Jörg Lützelberger. „Das war in dieser Saison der höchste Gewinn“, sagt Kapitän Robert Broszio – und ein wichtiges Zeichen für die Lindauer, dass sie ihren Erfolgslauf auch ohne Lützelberger fortsetzen können. Denn ab Mitte Februar wird der Profi den Lindauern nicht mehr helfen können. Am 15. Februar startet er als Back-up-Spieler bei dem Zweitligisten HSG Konstanz. „Ich bin schon seit Saisonbeginn einmal in der Woche in Konstanz vor Ort und werde nun in der Mannschaft als Kreisläufer und in der Abwehr sowie als Unterstützung im Trainingsteam dabei sein.“
Dennoch blickt TSV-Kapitän Broszio optimistisch in das nächste Jahr: „Das Ziel ist, am Ende der Saison im mittleren Drittel der Tabelle zu stehen“, sagt er. „Wir sind in so einem guten Lauf. Natürlich werden
„Handball ist Teamarbeit. Auch ein guter Spieler funktioniert nur im Zusammenspiel als Team. Alleine erreicht er nichts.“
wir es merken, wenn Jörg nicht mehr dabei ist, aber wir können das gut auffangen.“So sieht es auch Lützelberger: „Ich werde bei jedem Spiel weiter dabei sein. Dann eben auf der Bank. So kann ich eigentlich noch mehr Input geben als auf dem Spielfeld.“
Doch bevor Jörg Lützelberger das Spielfeld der Lindauer verlässt, hat er sich noch etwas Besonderes überlegt: „Das war zu Hause nach einem Heimspiel. Ich wollte mich schon länger für die Lindauer engagieren, da kam mir die Idee.“Am 1. Februar 2020 startet die Premiere für das „BK 500“. Das ist der Name des Events. BK steht für Bezirksklasse und die 500 für die Summe der Zuschauer, die in der Dreifachturnhalle in Aeschach Platz
Jörg Lützelberger haben. An diesem Datum ist Heimspiel-Wochenende für die Handballer des TSV Lindau. „Höhepunkt wird das Liga-Spiel der Herrenmannschaft gegen den FC Burlafingen um 20 Uhr sein. Es gibt unter anderem ein buntes Rahmenprogramm, Gäste aus der Politik, Livemusik nach Spielende, Essen und Getränke, einen Hallensprecher, eine Tombola zugunsten der Nachwuchsförderung und vieles mehr. Der Eintritt kostet 3 Euro. Diese Einnahmen wollen wir an eine soziale Einrichtung in unserem unmittelbaren Umfeld in Lindau weitergeben“, erklärt Lützelberger. Das „BK 500“soll ein festes jährliches Event für die Lindauer werden und dem Handball mehr Aufmerksamkeit einbringen. „Vielleicht schaffen wir es damit, den Handballsport nach Eishockey und Fußball als zusätzliche feste Größe im Sportkalender der Lindauer zu etablieren“, hofft der Profi, der noch offenlässt, ob er dann noch einmal mit den Lindauern auf dem Spielfeld stehen wird.