Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Das CO2-freie Depot
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt auch Investoren immer stärker
Von Thomas Spengler
GSTUTTGART - Rechtzeitig zum Klimagipfel in Madrid im Dezember hatte auch die Europäische Investitionsbank EIB bekannt gegeben, von 2022 an keine Kredite für Kohle-, Ölund Gasprojekte mehr zu vergeben. Bereits in den Jahren zuvor hatten Großanleger wie der Norwegische und der Schwedische Pensionsfonds oder die Versicherer Allianz und Axa Investments in Energieversorger, die fossile Brennstoffe zur Stromproduktion verwenden, den Rücken gekehrt. Divestment nennt man diese Maßnahmen, die den Abzug von Kapital beschreibt und dem Geist des Pariser UN-Klimaabkommens von 2015 entspricht, wonach das Finanzsystem klimafreundlicher werden soll. „Die Sensibilität für nachhaltige Anlagen, die dazu beitragen können, den ökologischen Fußabdruck zu mindern, ist deutlich gestiegen,“sagt dazu Fondsmanager Christoph Groß von der LBBW Asset Management.
Die Vermeidung von Geldanlagen in fossilen Brennstoffen ist damit ein Aspekt eines nachhaltigen Investments nach den sogenannten ESGKriterien. E steht dabei für „environmental“und heißt ökologisches Wirtschaften. Dabei wird der CO2Fußabdruck, den ein Unternehmen hinterlässt, analysiert und die Einbeziehung ökologischer Faktoren bei der Beschaffung und Entwicklung von Produkten betrachtet. S wie „social“für sozial soll gesellschaftliche Verantwortung beschreiben. Dieses Kriterium beinhaltet den Umgang des Unternehmens mit seinen Kunden, Zulieferern, Mitarbeitern sowie sein gesellschaftliches Engagement. Und G steht für „Governance“, also eine verantwortungsvolle Unternehmensführung, was Aspekte wie Vorstands- und Managementvergütung, familienfreundliche Arbeitszeiten oder Transparenz in der Unternehmensführung umfasst.
Folgt man den Angaben des „Forums Nachhaltige Geldanlage“FNG wurden im vergangenen Jahr 219 Milliarden Euro in Deutschland nach solchen Vorgaben verwaltet. Das sind zwar 30 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, angesichts eines Geldvermögens der privaten Haushalte in Höhe von 6,3 Billionen Euro erscheint dieser Betrag aber als nicht besonders hoch. Einer Umfrage der Wertpapieraufsicht Bafin zufolge haben erst 38 Prozent der Bundesbürger den Begriff „nachhaltige Geldanlage“schon einmal gehört. Immerhin können sich zwei Drittel der Befragten vorstellen, auch einmal nachhaltig zu investieren.
Kapital als Hebel für Klimaziele Um nun der „Dekarbonisierung von Wertpapierportfolios“einen ordentlichen Schub zu verleihen, spannt die Europäische Union mit ihrem Aktionsplan „Nachhaltige Finanzierung“ die Finanzbranche dazu ein, die Ziele des Klimagipfels von Paris 2015 zu erreichen. Bekanntlich haben sich damals nahezu 200 Staaten verpflichtets, die Erderwärmung unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Ein Teil dieses EU-Plans ist es, einheitliche Standards (Taxonomie) für nachhaltige Anlageprodukte zu entwickeln, für die es bereits erste Entwürfe gibt. Die EU setzt also den Hebel beim Kapital an, um sanften Druck zugunsten von klimafreundlicheren Investments auszuüben. „Kapital wirkt damit wie ein Beschleuniger in die gewünschte Richtung“, erläutert Groß.
In der Tat gehen viele Experten davon aus, dass dem Finanzsystem und auch den Zentralbanken eine Schlüsselrolle bei der Transformation in eine „grüne“Wirtschaft zukommt. Daran knüpft auch der Plan von Kommissionschefin Ursula von der Leyen an, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Wie stark dafür aber die Europäische Zentralbank (EZB) eingespannt werden kann, ist derzeit umstritten. Sollte sie kohlenstoffintensive Vermögenswerte
aus ihren Portfolios verbannen, würden Anleihen von Firmen mit einem tiefen CO2-Abdruck unter Preisdruck geraten. Das aber könnte ein Verstoß gegen die Marktneutralität sein, zu der die EZB eigentlich verpflichtet ist. Ungeachtet dieser Debatte und den zu erwartenden EU-Standards für das, was man nun unter nachhaltiger Geldanlage versteht, haben Anbieter „grüner“Finanzprodukte längst reagiert.
Seinen Ursprung hat die Idee der Nachhaltigkeit übrigens in der sächsischen Forstwirtschaft. Angesichts einer drohenden Rohstoffkrise entwickelte bereits Ende des 17. Jahrhunderts Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz das Prinzip, wonach immer nur so viel Holz geschlagen werden durfte, wie durch planmäßige Aufforstung nachwachsen konnte.
Wie man heute schon nachhaltig investieren kann, soll am kommenden Montag beschrieben werden. Siehe dazu auch: