Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bislang 97 854 Euro für Häfler helfen
Die Spenden helfen Einzelnen und stärken den Zusammenhalt der Gemeinschaft in der Stadt
Von Harald Ruppert
GFRIEDRICHSHAFEN - 97 854 Euro wurden bislang für die Weihnachtsaktion von „Häfler helfen“gespendet, die noch bis 6. Januar läuft. Stadtdiakon Ulrich Föhr freut sich nicht nur über das Geld, sondern auch über die Haltung, die sich darin ausdrückt: die Solidarität der Häfler mit ihren in Not geratenen Mitbürgern – gerade auch in den kleineren Spendensummen. „ Es sind wohl noch mehr Spenden in Höhe von zehn Euro eingegangen als im letzten Jahr“, sagt Föhr. Manche Spender müssten mit dem Geld streng haushalten. „Da sind zehn oder 20 Euro viel Geld. Aber sie werden gespendet, um ein Zeichen zu setzen.“Die Bandbreite in der Höhe der überwiesenen Beträge zeigt Föhr, dass Häfler helfen in der gesamten Gesellschaft verankert ist.
Trotzdem muss klargestellt werden, wofür Häfler helfen steht. Wie die Spenden verwendet werden, bleibt nämlich nicht unwidersprochen. Das zeigen Reaktionen auf Artikel in der SZ, in der Einzelschicksale beschrieben wurden. Sie veranschaulichen die Situationen von Menschen, die Spendengelder erhalten. So stand in der Ausgabe vom 14. Dezember eine fünfköpfige Familie im Zentrum: Nachdem Rafik C. seine Arbeit verlor, ging es für ihn, seine
Frau Zara und die gemeinsamen drei Kinder bergab. Dagmar Neuburger von der Schwangerschaftsberatung der Diakonie in Friedrichshafen hat sich um die Familie gekümmert. Auf den Bericht in der Schwäbischen Zeitung erhielt sie eine E-Mail mit pauschalen Vorwürfen. Nach Auffassung des Absenders schildere der Artikel „die Probleme einer Migrantenfamilie, die integrationsunfähig oder auch integrationsunwillig ist und sehr wahrscheinlich für ihre augenblickliche Lage selbst die Schuld trägt. Sie sollte in ihr Heimatland zurückgeführt werden.“Der Schreiber schließt mit der Bemerkung, er habe an Häfler helfen spenden wollen, werde es jetzt aber nicht tun – denn er wolle mit der Spende „Häflern helfen“.
Wäre das geschrieben worden, wenn die Familie nicht erkennbar ausländische Wurzeln hätte? Wenn die Betroffenen nicht Rafik und Zara hießen, sondern Holger und Melanie? Man darf es bezweifeln. So aber wird der Artikel zum Anlass, einen Packen Ressentiments auf einem Einzelfall abzuladen, dessen Schilderung dazu keinen Anlass gibt. Das mündet in der Definition, wer Anspruch auf Geld von Häfler helfen hat: Menschen mit ausländischen Wurzeln nach dieser Auffassung nicht.
Die Stadtgemeinschaft wird in dieser E-Mail auch dann noch auseinanderdividiert, wenn man den fremdenfeindlichen Hintergrund abzieht: denn Leute, die an ihrer Not selbst schuld sind, haben offenkundig keine Hilfe verdient. Sabine Hornig ist wie Dagmar Neuburger in der Schwangerschaftsberatung der Diakonie tätig. Auch sie vergibt Geld von Häfler helfen an ihre Klienten. „Wir sind zum Glück keine Richter“, stellt sie fest. Und: „Friedrichshafen funktioniert nicht, wenn zwischen einer ’guten’ Not unterschieden wird, an der die Betroffenen nicht selbst schuld sind, und einer selbstverschuldeten ,schlechten’ Not.“Die Grundfrage sei eine andere: „Wie wollen wir hier in der Stadt zusammenleben?“Auch in Friedrichshafen müsse man aufpassen, dass der Wert der Gemeinschaftlichkeit nicht verloren gehe.
Ihrer Wahrnehmung nach hat die pauschale Aburteilung von Menschen in den letzten Jahren zugenommen. „Die Leute werden hemmungsloser in ihren Zuschreibungen und Bewertungen. Viele haben kein Gespür mehr, was so damit auslösen.“Die Situation eines Menschen sähe aus der Nähe oft ganz anders aus als aus der Distanz, sagt wiederum Ulrich Föhr. Die Gründe für Arbeitslosigkeit etwa: „Als Außenstehender weiß man oft nicht, warum jemand keiner Arbeit nachgeht. Aber wenn die Leute zu mir in die Beratung kommen, erfahre ich, dass sie Angststörungen haben, Medikamente nehmen oder körperlich angeschlagen sind. Ich weiß es, weil mir ärztliche Berichte vorliegen.“
Im Vordergrund steht aber zunächst nicht die in jedem Fall erfolgende Überprüfung, ob die Hilfesuchenden wahrheitsgemäße Angaben machen. „Sondern ich höre mir ihre Not an und begegne den Klienten mit Würde und Respekt“, sagt Ulrich Föhr. Und unumwunden fügt er an: „Es ist natürlich richtig, dass viele zu uns kommen, die versuchen, die Hilfen auszunutzen.“Wenn aber eine Hilfestellung angezeigt ist, überprüfen Neuburger, Föhr und Hornig zunächst, ob die staatlichen Hilfen schon voll ausgeschöpft wurden. Falls nicht, helfen sie beim Ausfüllen von Anträgen zum Zugang dieser Leistungen.
Erst wenn dieser Weg erschöpft ist, wird das Geld von Häfler helfen angegangen. „Mir ist wichtig, dass die Leute eine Eigeninitiative entwickeln und so weit wie möglich an der Verbesserung ihrer Situation arbeiten“, sagt Ulrich Föhr. „Und trotzdem gibt es Leute, die das nicht können.“Hier greift dann ein christlicher Wert, den man sich dank Häfler helfen leisten kann: ein Erbarmen, das nicht nach amtlichen Berechtigungsscheinen fragt.
Weil Sabine Hornig und Dagmar Neuburger in der Schwangerschaftsberatung tätig sind, sind bei ihren Klienten immer Kinder im Spiel. „Rauf und runter fordern die Medien, dass jedes Kind entsprechend seinen Fähigkeiten gefördert werden soll“, sagt Sabine Hornig. „Aber diese Kinder müssen überhaupt erst entdeckt werden. Ich kenne viele Familien, deren Kinder ein sehr zurückgezogenes Leben führen, weil sie nicht viel Geld haben.“Kinder, die zum Geburtstag nicht ihre Schulkameraden einladen können oder denen die Voraussetzung für den Radfahrkurs in der Schule fehlt: ein Fahrrad. Nicht zuletzt solchen Kindern kommen die Spenden für Häfler helfen zugute – damit sie nicht von Anfang an in eine Außenseiterrolle geraten. Aus welchem Land die Eltern stammen, spielt dabei keinen Rolle.
können Sie an Häfler helfen durch eine Überweisung auf das Konto der Katholischen Gesamtkirchenpflege bei der Sparkasse Bodensee, IBAN:
DE52 6905 0001 0020 1138 90 BIC: SOLADES1KNZ, unter Angabe des Verwendungszwecks „Häfler Helfen“. Häfler helfen hat inzwischen auch eine eigene Internetpräsenz unter