Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ruheständler
Der Name Schönborn hat in der Kirche und über die Kirche hinaus einen besonderen Klang. Das alte Adelsgeschlecht stellte über Jahrhunderte Fürstbischöfe im süddeutschen Raum. Als Erzbischof von Wien und Kardinal der Römischen Kirche war
Christoph Schönborn bei seiner Ernennung 1995 eine beinahe logische Besetzung. Nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze des Wiener Erzbistums und 22 Jahren im Vorsitz der Österreichischen Bischofskonferenz nähert sich nun auch diese „Ära Schönborn“ihrem Ende. Bereits Monate vor seinem 75. Geburtstag am 22. Januar hat er dem Papst sein altersbedingtes Rücktrittsgesuch übermittelt.
Als Schönborn 1995 den im Zuge von Missbrauchsvorwürfen zurückgetretenen Kardinal Hans Herrmann Groer beerbte, stand er vor einer schwierigen Aufgabe. Das Ansehen der Kirche in Österreich war schwer erschüttert, die Flügelkämpfe zwischen fortschrittlichen und konservativen Kräften hatten begonnen. Wirklich befrieden konnte auch Schönborn diesen Richtungsstreit nicht. Doch war es vermutlich Schönborns Verdienst, dass es nicht zum offenen Bruch kam.
Der frühere Dogmatik-Professor wurde durch einen Beitrag zur Debatte um die Evolutionstheorie weltweit bekannt. In einem 2005 veröffentlichten Text in der „New York Times“kritisierte er den klassischen Darwinismus, der die Resultate der Evolution als bloße Zufallsprodukte interpretiert. Dem setzte der Kardinal den Begriff eines „Designs“des Schöpfers entgegen, das in diesen Resultaten zu erkennen sei.
Vertreter des konservativen Flügels warfen ihm mitunter vor, ein Wendehals zu sein, der seine früheren, streng rechtgläubigen Positionen verraten habe. In jüngerer Zeit hat er sich bei der Familien-Synode mit ihrer Öffnung für wiederverheiratete Geschiedene und auch bei der Amazonas-Synode mit der Forderung nach Ausnahmen vom Priester-Zölibat für Veränderungen bereit gezeigt. (KNA)