Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Datenschützer warnen Behörden vor sozialen Medien
Stefan Brink, oberster Datenschützer des Landes, warnt Behörden vor sozialen Netzwerken
STUTTGART (tja) - Die Datenschutzbeauftragten von BadenWürttemberg und Bayern warnen Landesbehörden davor, soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook zu nutzen. Das betrifft auch die Polizei, die solche Kanäle unter anderem in Krisenfällen stark nutzt. „Es mangelt vor allem an der Transparenz der Datenverarbeitung durch die Betreiber der sozialen Plattformen aus Übersee“, sagt Thomas Petri, Datenschützer in Bayern. Sein Kollege aus dem Südwesten, Stefan Brink, will der Landesregierung in den kommenden Wochen mitteilen, welche Anforderungen ihre Social-Media-Auftritte erfüllen müssen. Aber, so Brink: „Ich bin skeptisch, ob die Landesbehörden diesen Nachweis führen können.“Die Landesregierung hält es für ihre Pflicht, Bürger in den sozialen Medien zu informieren.
Von Katja Korf
STUTTGART - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist auf einem Twitter-Foto neben EZB-Chefin Christine Lagarde zu sehen – daneben eine Warnmeldung zu Cyber-Attacken. Diese Botschaften konnten knapp 53 900 Twitter-Nutzer in den vergangenen Tagen lesen, die den Auftritt der Landesregierung auf der OnlinePlattform verfolgen. Auf seinem Facebook-Profil empfängt Kretschmann seine 35 000 Abonnenten mit einem Foto von sich und den Fantastischen Vier – und einem ausführlichen Post zum Thema Datenschutz. Denn geht es nach dem Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink, müssen Kretschmann, aber auch alle anderen Behörden und Amtsträger in Land und Kommunen ihre Auftritte bei Facebook und Twitter abschalten. Brink hat massive Zweifel daran, dass die Unternehmen korrekt mit den Daten ihrer Nutzer umgehen. Und das dürften staatliche Stellen keinesfalls fördern, so seine Argumentation.
„Natürlich kann etwa die Polizei ihre Accounts punktuell nutzen, zum Beispiel bei Amokläufen oder Katastrophen, um die Bevölkerung zu informieren. Aber meiner Beobachtung nach betreiben die allermeisten Ministerien und Behörden Öffentlichkeitsarbeit auf ihren Auftritten. Und dafür benötigen sie Facebook und Twitter nicht zwingend“, sagt Brink. Er selbst zieht sich Ende Januar aus den sozialen Netzwerken zurück. Daran hat auch ein Gespräch mit Twitter-Verantwortlichen in der vergangenen Woche nichts geändert. Twitter selbst äußerte sich auf Anfrage nicht.
Anlass für Brinks Rückzug sind unter anderem zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter nehmen jeden in die Pflicht, der auf Twitter oder Facebook sogenannte Fanpages betreibt. Die USKonzerne speichern und verarbeiten Nutzerdaten – wer klickt was an, wem gefällt etwas, wer ist mit wem im Netz verbunden. Daraus generieren die Netzwerke unter anderem Informationen für Anzeigenkunden.
„Nach meiner Überzeugung mangelt es vor allem an der Transparenz der Verarbeitung durch die Betreiber der sozialen Plattformen aus Übersee“, sagt auch Brinks bayerischer Kollege Thomas Petri. „Schon deshalb habe ich den bayerischen Stellen angesichts ihrer Vorbildfunktion zur äußersten Zurückhaltung bei der Nutzung von sozialen Medien geraten.“
Doch die Datenschützer stoßen auf Widerstand. Die Landesregierung will ihre Auftritte keineswegs stilllegen. Viele Bürger suchten Informationen nicht mehr gezielt auf bestimmten Webseiten, sondern nutzen Facebook oder Twitter, um Wichtiges zu erfahren. „Würden wir uns aus diesen Netzwerken zurückziehen, wären wir für diese Menschen kaum noch sichtbar. Wir haben einen Auftrag von der Verfassung, die Bürgerinnen und Bürger über unsere Arbeit zu informieren. Dazu müssen wir dahin gehen, wo die Menschen sind“, erklärt Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. Man sei im Auftrag der Verfassung dazu verpflichtet, den Bürger zu informieren. Mit anderen Bundesländern wolle man mit Facebook über Vereinbarungen zur Datenverarbeitung sprechen.
Neben den Ministerien nutzen zahlreiche andere Behörden die Netzwerke, insbesondere die Polizei. Judith Wolf hat den Internetauftritt des Polizeipräsidiums Ulm aufgebaut. Seit Herbst 2016 nutzen die Beamten im Land Facebook und Twitter. 4500 Menschen folgen den Ulmern seither auf Twitter, 13 000 auf
Facebook. „Wir erreichen über diese Kanäle sehr schnell einen großen Nutzerkreis und auch andere Gruppen als mit unseren sonstigen Informationsangeboten“, sagt Kriminalhauptkommissarin Wolf.
Gut für das Image
Natürlich seien diese Auftritte gut für das Image der Polizei, die sich als bürgernah präsentieren könne. Das sei aber bei Weitem nicht der einzige Zweck. „In Krisensituation sind die sozialen Netzwerke durchaus hilfreich. Wir können informieren und Verhaltenshinweise geben. Das tun wir selbstverständlich aber weiterhin auch auf anderen Kanälen – also per Lautsprecherwagen oder unseren Websites. Jeder bekommt wichtige Informationen von uns, egal, ob er bei Twitter ist oder nicht.“Außerdem kursierten in den Netzwerken gerade zu vermeintlichen Notfällen oder Straftaten oft Gerüchte. Dann könne die Polizei mit neutralen, sachlich richtigen Informationen dagegenhalten und deeskalieren.
Datenschützer Brink will der Landesregierung in den kommenden Wochen seine Anforderungen für deren Social-Media-Auftritte mitteilen. „Dazu gehört zum Beispiel, dass die Behörden sicherstellen, dass Facebook und Twitter die Daten der Nutzer rechtmäßig verwenden. Ich habe als Aufsichtsbehörde keine Möglichkeiten, das zu prüfen, da fehlt mir die Zuständigkeit. Ich bin auch skeptisch, ob die Landesbehörden diesen Nachweis führen können. Wenn sie es können, freut es mich“, so Brink. Grundsätzlich kann er den Rückzug aller Institutionen, Regierungsmitglieder oder Oberbürgermeister aus den Netzwerken anordnen. Aber der oberste Datenschützer im Land setzt zunächst auf Dialog.
Eine Kompromisslinie könnte es geben. Die Behörden könnten das, was sie auf Twitter oder Facebook veröffentlichen, zeitgleich auf ihre eigene Webseiten stellen. So könnten Bürger sich informieren, ohne sich bei Facebook oder Twitter anzumelden und dort ihre Daten zu hinterlassen. „Das würde die Problematik reduzieren. Es ändert aber nichts daran, dass ich weiter erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Angebote von Facebook und Twitter habe und mittelfristig eine eigene öffentliche Plattform für die beste Lösung halte“, bilanziert Brink.