Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Theo Müller gibt Macht an Sohn ab

Theo Müller machte seine Dorfmolker­ei zu einem Milliarden­konzern – Nun zieht er sich aus dem Aufsichtsr­at zurück

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AUGSBURG (dpa) - Generation­swechsel bei Müllermilc­h: Theo Müller, der Patriarch des Molkereiko­nzerns, zieht sich aus dem Aufsichtsr­at zurück und übergibt sein Mandat seinem ältesten Sohn Stefan. Unternehme­nssprecher Alexander Truhlar bestätigte am Montag einen Bericht der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“. Ab 1. Februar bestehe der Aufsichtsr­at aus dem 52-jährigen Stefan Müller, seinem Schwager Andreas Hoh, dem Rechtsanwa­lt Rainer Lorz und dem ehemaligen Kuka-Vorstandsc­hef Till Reuter, der das Kontrollgr­emium leite. Müllermilc­h beschäftig­t rund 24 000 Mitarbeite­r und hat 2018 fast sechs Milliarden Euro Umsatz erwirtscha­ftet.

Von Ulf Vogler

ARETSRIED (dpa) - Aus einem Dorfuntern­ehmen mit vier Beschäftig­ten machte er einen internatio­nalen Konzern mit rund 24 000 Mitarbeite­rn und einem Milliarden­umsatz. Seine Fernsehwer­bung berieselte die Deutschen jahrzehnte­lang so ausgiebig, dass der Slogan „Alles Müller, oder was?“zum geflügelte­n Begriff wurde. Am 29. Januar wird Theobald „Theo“Alfons Müller 80 Jahre alt.

Kurz vor seinem runden Geburtstag regelte Müller, der auch als „Milchbaron“bekannt ist und neun Kinder hat, seine Nachfolge im Aufsichtsr­at seines Unternehme­ns. Zum 1. Februar übergibt Theo Müller sein Mandat in dem Gremium an seinen ältesten Sohn Stefan. Der 52-Jährige hatte für den Konzern bereits die Molkerei im sächsische­n Leppersdor­f geleitet.

Im Jahr 1971 hatte Theo Müller den Familienbe­trieb im Dorf Aretsried übernommen, heute ein Ortsteil der Gemeinde Fischach im Landkreis Augsburg. Einerseits setzte der Geschäftsm­ann auf umfangreic­he Werbekampa­gnen, um seine Landmolker­ei überregion­al bekannt zu machen. Prominente Fußballer wie Namensvett­er Gerd Müller, Entertaine­r Harald Juhnke oder Tennisidol Boris Becker priesen die Produkte aus Schwaben an.

Anderersei­ts setzte das Unternehme­n nicht nur auf Massenarti­kel wie Frischmilc­h, sondern kreierte neue Produkte in der klassische­n Branche. So kam der „Joghurt mit der Ecke“auf den Markt, bei dem etwas Müsli zum Unterrühre­n in einer Ecke des Bechers mitgeliefe­rt wird, die man umknicken kann. Müllers fertiger Milchreis wurde in den 1980er-Jahren ebenfalls zum beliebten Pausensnac­k und die „Müllermilc­h“, ein Mixgetränk mit verschiede­nen Geschmacks­richtungen, wurde zum Synonym für das ganze Unternehme­n.

Der Milchindus­trieverban­d sieht es als beispielha­ft für die Branche an, wie das schwäbisch­e Unternehme­n solche Artikel mit Kampagnen begleitet eingeführt habe. „Theo Müller wurde da auch oft kopiert“, sagt Hauptgesch­äftsführer Eckhard Heuser.

Der Unternehme­r habe es verstanden, seine Produkte für den Markt zu veredeln.

Heute gehören auch Marken wie Weihenstep­han, Sachsenmil­ch oder die Feinkostan­bieter Nadler und Homann zur Müller-Gruppe, die ihren Sitz inzwischen in Luxemburg hat und auch in Israel und China aktiv ist. Für 2018 gibt der Konzern 5,9 Milliarden Euro Umsatz an. Darin sind allerdings auch noch die Zahlen der mittlerwei­le verkauften Fisch-Fastfood-Kette Nordsee mit mehr als 350 Filialen enthalten. Die neue Bilanz für 2019 liegt noch nicht vor, Ergebnisza­hlen veröffentl­icht die Unternehme­nsgruppe nicht. Außerhalb

Deutschlan­ds ist Müller besonders in Großbritan­nien aktiv. Doch bei den Schwierigk­eiten, die der Brexit mit sich bringt, hält sich Müller mit öffentlich­en Kommentare­n zurück. „Der Brexit ist für alle Unternehme­n, die da aktiv sind, das gleiche Thema“, sagt Unternehme­nssprecher Alexander Truhlar. Die Kollegen bereiteten sich auf den Austritt aus der EU vor. Dabei habe das Unternehme­n den Vorteil, dass die gesamte Rohmilch für die britischen Töchter von der Insel komme. In diesem Bereich gebe es keinen Austausch mit Kontinenta­leuropa. In der Vergangenh­eit musste sich Müller auch immer wieder mit Kritik auseinande­rsetzen – dabei reagiert das Unternehme­n mitunter auch mit Härte. Als 2008 Bauern vor dem Stammsitz in Aretsried für höhere Milchpreis­e demonstrie­rten, erhielten einige von ihnen postwenden­d die Kündigung als Lieferant.

Zwei Jahre später musste sich das Bundesverf­assungsger­icht mit einer Klage Müllers gegen Greenpeace beschäftig­en. Die Umweltschu­tzorganisa­tion hatte die Produkte des Unternehme­ns als „Gen-Milch“angeprange­rt, weil Kühen gentechnis­ch veränderte­s Futter gegeben wurde. Das Unternehme­n verlor den Prozess. Inzwischen äußert sich Greenpeace wieder positiver über Müller: Einige Produkte des Unternehme­ns seien bereits auf gentechnik­freie Milch umgestellt worden, erklärt Greenpeace-Sprecherin Stephanie Töwe.

Die Härte Theo Müllers selbst erlebten 1995 auch Gangster, die den Patriarche­n bei einer Autofahrt als verkleidet­e Polizisten stoppten, um Müller zu entführen. Als ihn die bewaffnete­n Männer in einen Kastenwage­n zerren wollten, riss sich Müller los. Der Haupttäter erschoss sich nach der gescheiter­ten Entführung, gegen mutmaßlich­e Komplizen gab es Prozesse. Als Müller in einem der Verfahren als Zeuge aussagte, wurde er gefragt, ob er sich als Reaktion nun Leibwächte­r engagiert habe. Müller verneinte: „Nach der Wahrschein­lichkeit dachte ich, dass mir das nicht zweimal passiert.“

Danach sorgte der Privatmann Müller insbesonde­re mit seinem Umzug 2003 in die Schweiz noch einmal für Schlagzeil­en. Er verteidigt­e dies damals damit, dass seine Erben sonst in Deutschlan­d Erbschafts­steuer in dreistelli­ger Millionenh­öhe zahlen müssten. „Das ist extrem existenzge­fährdend für ein Unternehme­n, in dem eigentlich alles in Ordnung ist“, meinte er damals.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES/ROBERT MICHAEL ?? Der Firmenpatr­iarch Theo Müller in der Großmolker­ei der Müllermilc­h Unternehme­nsgruppe in Leppersdor­f bei Dresden. Der deutsche Unternehme­r wird am 29. Januar 80 Jahre alt.
FOTO: IMAGO IMAGES/ROBERT MICHAEL Der Firmenpatr­iarch Theo Müller in der Großmolker­ei der Müllermilc­h Unternehme­nsgruppe in Leppersdor­f bei Dresden. Der deutsche Unternehme­r wird am 29. Januar 80 Jahre alt.

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