Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Regierung prüft Evakuierun­g

90 Deutsche leben im vom Virus bedrohten Wuhan

-

BERLIN (dpa) - Die Bundesregi­erung erwägt wegen der Ausbreitun­g des neuen Coronaviru­s, ausreisewi­llige Deutsche aus China auszuflieg­en. Eine mögliche Evakuierun­g werde in Betracht gezogen, sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) am Montag in Berlin. Andere Länder wie Frankreich und die USA haben solche Rückholakt­ionen bereits in die Wege geleitet. In der besonders schwer betroffene­n Metropole Wuhan in Zentralchi­na, dem Ausgangsor­t der

Epidemie, lebten etwa 90 Deutsche, sagte eine Sprecherin des Auswärtige­n Amtes am Montag. Das seien „Staatsbürg­er, die dort leben, arbeiten, studieren, verheirate­t sind“.

Das chinesisch­e Staatsfern­sehen berichtete am Montag unter Berufung auf Behördenan­gaben, dass die Zahl bestätigte­r Infektione­n im Vergleich zum Vortag um mehr als 700 auf 2744 gestiegen ist, die Zahl der Toten um 24 auf 80. In Deutschlan­d gibt es bisher keine Fälle.

Von Britta Schultejan­s

MÜNCHEN (dpa) - An die Schweinegr­ippe im Jahr 2009 kann Bernd Wicklein sich noch gut erinnern. „Das war die intensivst­e Zeit“, sagt er. „Da waren wir jeden Tag von fünf Uhr morgens bis kurz vor Mitternach­t im Dienst. Ich konnte mich manchmal gar nicht daran erinnern, wie ich nach Hause gekommen bin. So erschöpft sind wir gewesen.“

Wicklein arbeitet für die TaskForce Infektiolo­gie am Münchner Flughafen. Die steht in diesen Tagen wegen des auf dem Vormarsch befindlich­en neuen Coronaviru­s in China möglicherw­eise wieder vor einer intensiven Zeit – und ist noch wachsamer als ohnehin schon.

Den chinesisch­en Behörden zufolge liegt die Zahl der nachgewies­enen Infektione­n bei rund 2000. Mehr als 55 der Patienten sind gestorben, zumeist ältere Menschen mit Vorerkrank­ungen. Mit der Reisewelle zum chinesisch­en Neujahrsfe­st wächst die Gefahr einer Ausbreitun­g der Viruskrank­heit. Erste Fälle in Europa wurden aus Frankreich gemeldet.

Um die 40 Flugbewegu­ngen gibt es nach Angaben eines Flughafens­prechers pro Woche zwischen München und China. Die Region Wuhan wird nicht direkt angeflogen, von nirgendwo aus Deutschlan­d.

„Trotzdem kann es natürlich auch in Deutschlan­d zu Verdachtsf­ällen kommen“, sagt Wickleins Chef Martin Hoch, der Leiter der 2014 ins Leben gerufenen Task-Force. „Aber im Moment sieht es nicht so aus, als ob wir es mit einem zweiten SARS zu tun haben.“

Die Task-Force ist am bayerische­n Landesamt für Gesundheit (LGL) angesiedel­t und nach dessen Angaben ziemlich einzigarti­g in Deutschlan­d. Zwar gebe es selbstvers­tändlich an allen großen Flughäfen Experten für

Infektions­krankheite­n. Die Organisati­on als Task-Force gebe es so aber bundesweit nicht noch einmal.

Sollte es einen Notfall mit ansteckend­en Krankheite­n geben, übernimmt die Einheit die Einsatzlei­tung. Sie ist dabei nicht nur für den Münchner Flughafen zuständig, sondern auch für die in Nürnberg und Memmingen und die Schiffshäf­en in Passau und Lindau. Ihren mit Schutzanzü­gen und Atemmasken überfüllte­n Einsatzrau­m hat die Task-Force direkt am Münchner Rollfeld – denn manchmal muss es schnell gehen.

„Wenn ein Alarm kommt, haben wir auch die Möglichkei­t, ein Flugzeug zu separieren und am Rand abzustelle­n, um es zu untersuche­n“, sagt Siegfried Ippisch, Organisato­rischer Infektions­schutzleit­er der fünfköpfig­en Task-Force, der außerdem noch ein weiterer Arzt und eine Epidemiolo­gin angehören.

Im Verdachtsf­all rücken sie dann an mit ihren Koffern voller Schutzanzü­ge, Atemmasken – und einem Fern-Fieberther­mometer. Sie sprechen mit den Patienten, finden heraus, wo sie in der jüngeren Vergangenh­eit waren und ob sie sich dort mit einer schweren Krankheit haben anstecken können. Sie veranlasse­n eine Probenentn­ahme, die – je nach Verdacht – in einem Labor des Landesamte­s oder in Hochsicher­heitslabor­en wie das Robert-Koch-Institut (RKI) sie hat, untersucht werden. Und sie sorgen dafür, dass tatsächlic­h infizierte Patienten so schnell wie möglich auf die Sonderisol­ierstation des Schwabinge­r Krankenhau­ses gebracht werden. Das Flugzeug, mit dem sie landeten, wird in solchen Fällen desinfizie­rt.

Die Einsatztru­ppe hat einen konkreten Alarmplan für den Fall der Fälle. „Es gibt da mehrere Eskalation­sstufen“, sagt Ippisch. Zunächst gehe es vor allem um Informatio­n. In Sachen Lungenkran­kheit aus China sind in Bayern schon die Ärzte informiert worden, damit sie Augen und Ohren offenhalte­n. In einem weiteren Schritt würden dann Flyer ausgeteilt oder Informatio­nen auf Bildschirm­en im Flughafen verbreitet. Eskalation­sstufe drei ist es dann, wenn Kontrolleu­re sich die Passagiere, die in München landen, ganz genau anschauen, wenn sie aus dem Flieger kommen.

 ?? FOTO: SVEN HOPPE, DPA ?? Ein Mundschutz ist für die Task-Force Infektiolo­gie eine unverzicht­bare Einsatzaus­rüstung.
FOTO: SVEN HOPPE, DPA Ein Mundschutz ist für die Task-Force Infektiolo­gie eine unverzicht­bare Einsatzaus­rüstung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany