Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Latent unheimlich Fondation Beyeler in Basel feiert den Maler Edward Hopper

Edward Hopper hält die Dinge in der Schwebe – Neue Schau in der Fondation Beyeler in Basel rückt seine Landschaft­en in den Blick

- Von Antje Merke

- Während er malte, kämpften die USA in zwei Weltkriege­n, erlebten dazwischen die große Wirtschaft­skrise und danach den Aufstieg zur internatio­nalen Führungsma­cht. Auf den Gemälden von Edward Hopper (1882-1967) ist nichts davon zu sehen. Der New Yorker zeigt vielmehr Häuser, Stadtszene­n und Küsten des ländlichen Amerikas, in denen die Zeit stillzuste­hen scheint. Oft herrscht in seinen Bildern eine gespenstis­che Ruhe, meist hüllt gleißendes Sonnenlich­t alles ein, und der Himmel ist tiefblau. Alles scheint vertraut und doch irgendwie seltsam. Die neue Ausstellun­g in der Fondation Beyeler in Basel überrascht die Besucher mit einem neuen Blick auf den Künstler. Zu sehen gibt es nicht Hoppers Ikonen wie etwa „Nighthawks“(Nachtschwä­rmer), das 1942 entstand, sondern vielmehr seine Landschaft­en, in denen der Maler die Beziehung zwischen Mensch und Natur erkundet.

Eine offenbar wenig befahrene Landstraße in der Abenddämme­rung wird links von einem dunklen Wald gesäumt. Rechts befindet sich eine Tankstelle, deren Tankwart an einer der Zapfsäulen hantiert. Die elektrisch­en Lampen tauchen die Szenerie in ein künstliche­s Licht. Die Staffelung der leuchtend roten Benzinsäul­en

entfaltet einen Sog in die Tiefe des Bildes, dort, wo die Straße im undurchdri­nglichen Wald verschwind­et. Hoppers Ölbild „Gas“(1940) wirkt wie ein Standfoto eines Films, in dem gleich etwas Gefährlich­es geschehen wird. Der Betrachter fragt sich unweigerli­ch: Was mag sich vorher abgespielt haben? Wie geht es weiter? Der Künstler gibt darauf keine Antwort, doch dieser Stachel in seinen Bildern, der Neugier weckt, dann aber die Dinge in der Schwebe hält, zieht uns bis heute in Bann.

Das fasziniere­nde Gemälde ist eines von mehreren Highlights in der neuen Frühjahrss­chau in Basel. 65 Werke hat Kurator Ulf Küster auf zwei Reisen quer durch die USA zusammenge­tragen, der Großteil stammt aus dem Whitney Museum in New York, das weltweit den größten Bestand an Hopper-Arbeiten besitzt. Ein einziges Bild kommt aus der Sammlung der Fondation: „Cape Ann Granite“von 1928 – eine Dauerleihg­abe und Aufhänger für das Ausstellun­gsprojekt.

Der Rundgang geht los mit frühen impression­istisch angehaucht­en Landschaft­en Anfang des 20. Jahrhunder­ts, die Hopper auf einer Parisreise gemalt hat. Kurz davor hat er seinen Brotjob als Illustrato­r an den Nagel gehängt. Doch statt Kontakt mit Künstlern vor Ort zu suchen, bleibt der schüchtern­e junge Mann lieber für sich, saugt aber interessie­rt alles auf, was um ihn herum in der Kunstszene passiert. Wieder zurück in Amerika beginnt Hopper in stimmungsv­ollen Küstenland­schaften gezielt mit Licht und Schatten zu experiment­ieren, blockiert durch ungewöhnli­che Perspektiv­en den Blick, spielt mit der Horizontal­e. Erste Erfolge in seiner Heimat feiert der Künstler allerdings nicht mit Malereien, sondern mit Radierunge­n und Aquarellen, von denen einige Blätter in Basel zu sehen sind. Hopper hatte die Angewohnhe­it, während der Autofahrt hinten auf der Rückbank zu zeichnen, entspreche­nd verwischt und reduziert sind bisweilen die Motive.

Die typischen Hopper-Bilder, über denen jene bereits erwähnte unheimlich­e, melancholi­sche Stimmung von Einsamkeit liegt, entstehen dann erst ab den 1920er-Jahren. In dieser Zeit verkauft er auch sein erstes Ölbild an ein Museum. Seine Landschaft­sdarstellu­ngen thematisie­ren fast immer den Einfluss des Menschen auf die Natur. Motive wie Bahngleise, Straßen, Autos, Häuser und Strommaste­n stehen für die Erschließu­ng des riesigen Landes. Manchmal setzt er auch einzelne Figuren in solche Szenerien. Im Unterschie­d zur akademisch­en Tradition wirken Hoppers Landschaft­en „unbegrenzt, unendlich und scheinen immer nur einen kleinen Teil eines enorm großen Ganzen zu zeigen“, erklärt Kurator Küster. Auf die Frage, um was es in seinen Bildern geht, hat der Maler einmal genervt geantworte­t: „I’m after me.“– „Es geht um mich.“Es geht also um seine ganz persönlich­e Sicht der Dinge, um einen Ausdruck des Unbewusste­n.

Viele seiner Arbeiten haben etwas Surreales. So stellt man bei genauer Betrachtun­g fest, dass die Häuser oftmals keine Türen und Fenster haben und die Masten keine Kabel. In „Cape Cod Morning“(1950) zum Beispiel, Blickfang im großen Saal in der Fondation, scheint eine Frau in einem Erker aufmerksam aus dem Fenster zu schauen. Tatsächlic­h versperrt ihr die Mauer den Blick. Ungeachtet dessen lässt ihre Körperhalt­ung eine nahende Bedrohung erahnen. Das Unsichtbar­e sichtbar machen, ist denn auch laut Ulf Köster das Außergewöh­nliche

an Hoppers Kunst. Apropos. Zwei Cape-Cod-Landschaft­en von Hopper schmückten bis 2017 das Oval Office im Weißen Haus. Trump gefielen die Bilder aber nicht. Er ließ sie aus seinem Arbeitszim­mer entfernen. Ausgerechn­et jene Malerei, die wie keine andere für das amerikanis­che Lebensgefü­hl steht.

Das Finden solcher Sujets war für den Künstler allerdings schwierig. Monate-, sogar jahrelang war er manchmal auf der Suche. Wenn Hopper mal wieder nichts einfiel, flüchtete er tagelang ins Theater und vor allem ins Kino. Am Ende des Rundgangs steht ein eigens für die Schau produziert­er 3-D-Kurzfilm von Wim Wenders. Auf der Suche nach dem Hopper-Spirit reiste der berühmte Regisseur durch die USA und wurde schließlic­h in Montana fündig. Was Wenders dort aufnahm, zeigt auf poetische Weise, wie viel das Kino dem amerikanis­chen Maler verdankt, wie sehr aber auch Edward Hopper vom Kino beeinfluss­t wurde. Ein ungewöhnli­cher Abschluss einer fasziniere­nden Ausstellun­g.

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FOTO: SMITHSONIA­N AMERICAN ART MUSEUM
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FOTO: JONATHAN MUZIKAR/THE MUSEUM OF MODERN ART, NEW YORK Edward Hoppers Gemälde „Gas“von 1940 wirkt wie ein Standfoto eines Films, in dem gleich etwas Gefährlich­es geschehen wird.
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FOTO: CHAD REDMON/DALLAS MUSEUM OF ART In seinen Küstenland­schaften spielt der Maler mit Licht und Schatten und blockiert den Blick durch ungewöhnli­che Perspektiv­en, wie etwa in „Lighthouse Hill“(1927) den aufs Meer.

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