Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Leise rieselt der Sand
Cool bleiben ist wichtig, doch wie soll man sich bloß beruhigen? Treten Sie im Zweifel auch Ihren Hund? Ihre Kollegen? Machen Sie Yogafiguren, die Namen von Amphibien tragen? Oder Atemübungen, an denen Sie regelmäßig fast ersticken? Ja? Und alles bringt nichts? Dann gibt es jetzt die Lösung – YouTube-Videos mit dem Namen „Oddly Satisfying“, also „irgendwie zufriedenstellend“.
In diesen Videos gibt es nichts Spektakuläres zu sehen: Mal kämmt ein Löffel pinken Spielsand in immer neue Konturen, mal schneidet einer aus Kiwis und Mangos Herzchen, schließlich läuft Wasser kaskadenförmig eine Treppe hinunter. Fazit: Nichts ist öder und schöner, nichts ungefährlicher. Keiner hasst, keiner kommt dabei ums Leben. 200 Millionen Mal wurde das Video mit dem pinken Sand geklickt, bestimmt konnten viele dabei endlich mal durchschlafen.
Videos der Kategorie „Oddly Satisfying“sind, wenn man so will, das digitale Gegenstück zur digitalen Reizüberflutung – man braucht nicht mal abschalten. Man lässt sich einfach berieseln, inklusive Happy End, wenn der Sand wie geplant zur Burg wird. Dass das Haptische jetzt via Video passieren soll, ist seltsam. Gestern noch haben wir selbst mit den Händen im Sand gespielt und Burgen gebaut, wir haben Obstsalat geschnitten, Schiffchen im Wasser versenkt. Haben getöpfert, gefällt, umgepflanzt und geölt, bis die Finger dreckig waren. Eines Tages werden sich die Hände sicher nicht mehr von den Augen veräppeln lassen – und einfach auf Aus drücken. Das beruhigt am meisten.