Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Plakat mit Komiker Otto Waalkes macht Bauern wütend
Jubiläumsaktion von Edeka geht schief – Slogan „Essen hat einen Preis verdient, den niedrigsten“kommt nicht gut an
Von Hanna Gersmann
WIEFELSTEDE - Kein Witz, für die Bauern schon gar nicht, die sich verraten fühlen: Der Komiker Otto Waalkes, der schon seit Jahrzehnten durch TV-Shows und Filme gluckst und hüpft, grinst vom neuen Plakat des größten Lebensmittelhändlers Deutschlands – Edeka. Daneben der Slogan: „Essen hat einen Preis verdient, den niedrigsten.“Im Laufe des Sonntags taucht es in den sozialen Medien auf. Es ist der Beginn turbulenter Stunden.
Noch am Sonntagabend fahren 250 Landwirte in Norddeutschland los und vor das Edeka-Zentrallager Nord-West im niedersächsischen Wiefelstede. Sie blockieren die Wege. Es geht nichts mehr. Die Zu- und Auslieferungen werden gestoppt. Erst um vier Uhr nachts ziehen die wütenden Bauern wieder ab, nachdem sie ein Ultimatum gestellt haben: Edeka möge sich bis 18 Uhr entschuldigen, offiziell vonseiten der
Geschäftsführung, und alle Plakate wieder abhängen. Ansonsten, so drohen sie, blockierten sie am Mittwoch das Lager erneut.
Aber nicht nur jene auf den Traktoren sind empört über die groß angelegte Werbekampagne, mit der Edeka sich eigentlich feiern will, genauer: das hundertjährige Firmenbestehen seiner Regionalgesellschaft Minden-Hannover. 1920 haben sie 30 Kolonialwarenhändler gegründet. Aus den Tante-Emma-Läden sind längst große Supermärkte geworden und Edeka hat sich einen wohlklingenden Markenclaim gegeben: „Wir lieben Lebensmittel.“
Am Montagvormittag reimt das dann der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Ruckwied auf Twitter um in: „Wir verramschen hochwertige Lebensmittel“und urteilt: „Unerträglich!!!“. Andere finden die Kampagne „peinlich“oder „bescheuert“. Es entwickelt sich ein Shitstorm. „#WerbungFromHell“, ergänzt zum Beispiel Alexander
Bonde, einst grüner Agrarminister in Baden-Württemberg, heute Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
War das alles einkalkuliert? Edekas Werbeaktionen waren schon öfter strittig. Berühmt wurde zum Beispiel ein Weihnachtsspot, in dem ein Vater seinen eigenen Tod vortäuscht, nur damit ihn seine Kinder endlich mal besuchen kommen. Schlechte Publicity, so sagen Werbeleute, kann auch gute sein: Ein Unternehmen macht von sich reden. Nur: In diesem Fall geht es um mehr: um eine politisch angespannte Debatte.
Die Landwirte protestieren seit Wochen, in der Hauptstadt, andernorts. Sie fürchten um ihre Existenz. Und das hat mit neuen Regeln zum Düngen und für Pestizide zu tun, aber auch mit dem harten Preiskampf der Handelsketten. Im Kanzleramt ist darum längst ein Spitzentreffen mit ihnen zu den Lebensmittel-Angeboten für den 3. Februar anberaumt.
Am Montag stellt sich CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner hinter die Bauern. Sie meint: „Es ist wie David gegen Goliath, wenn Bauern mit dem Handel verhandeln.“Jochen Flasbarth, Staatssekretär im SPD-geführten Bundesumweltministerium, kritisiert auf Twitter: „Bei Edeka hat man offenbar nicht begriffen, wie sehr die Billigdenke unserem Land schadet.“Und weiter: „Werde da vorläufig nicht mehr einkaufen.“
Es sei alles ein „Missverständnis“, heißt es dann bei Edeka am frühen Nachmittag Mit dem Slogan „Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten“seien nicht die Lebensmittel gemeint, sondern der Ort Essen bei Oldenburg. Und die Rabatte gingen nicht zulasten der Landwirte, sondern würden ausschließlich von den Großhändlern getragen. Und weiter: „Es war nie unsere Absicht, mit unserer Kampagne Landwirte und Erzeuger zu verärgern.“Die Plakate seien entfernt worden.