Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Gesprächsfetzen
DVon Jan Scharpenberg
Gas Schöne dem Zug ist für mich nicht die bessere CO am2 -Bilanz. Pendeln Es mit ist auch nicht die Entspannung, weil ich im Gegensatz zum Autofahren die anderen Verkehrsteilnehmer nicht schreiend auf ihre Unfähigkeit hinweisen muss.
Nein, das Schönste an den öffentlichen Verkehrsmitteln ist, den Gesprächsfetzen der Mitfahrer zu lauschen. Wer braucht schon Doktor House, wenn Oma Renate auf der Rückfahrt vom Arzt ihre Freundin über die neuesten Diagnosen zu dieser wunden Stelle an ihrem Gesäß informiert? Keine Supernanny ist vonnöten, wenn der kleine Sohn seine Mama, trotz deren gestressten Schweigens wiederholt darauf hinweist, dass sie den Mund zu halten hat.
Am Mittwochabend gab es vor dem Häfler Bahnhof sogar eine Teenager-Tragödie mitten aus dem Leben zu bestaunen. Da erdreistete sich ein Junge doch tatsächlich in einer hitzigen Diskussion, zwei gleichaltrigen Mädchen folgende provokante Frage entgegenzubrüllen: „Was glaubt ihr, wer ihr seid?“Ich vermutete die korrekte Antwort sei: „Zwei stark geschminkte Mädchen, die auf den Schienenersatzverkehr nach Lindau warten.“Aber weit gefehlt, denn die zwei keiften zurück: „Ja, guck dich mal an.“Welch herrliche Eloquenz. Jedem Drehbuchautoren der nachmittäglichen „Familien-Dramen“bei RTL und Co. wären die Freudentränen in die Augen geschossen. Leider musste ich weiter zum Zug und konnte nicht beobachten, ob der junge Mann wirklich einen prüfenden Blick über sein Äußeres wandern ließ oder selbst eine ähnlich logische Antwort formulierte. Aber ich war mir sicher, dass spätestens an der Haltestelle Weißenau der nächste spannende Gesprächsfetzen warten würde.