Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Den Opfern Stimme, Gesicht und Würde geben

Gut 100 Häfler gedenken am 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrat­ionslagers Auschwitz der Opfer des Naziterror­s

-

Von Jens Lindenmüll­er

GFRIEDRICH­SHAFEN - Am 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrat­ionslagers Auschwitz durch die Rote Armee hat Bürgermeis­ter Dieter Stauber in einer Gedenkfeie­r am Fridolin-Endraß-Platz stellvertr­etend an die Schicksale von drei Frauen erinnert und diese weitgehend für sich sprechen lassen. Als Appell zu verstehen waren die Worte von Anne Frank, mit denen Stauber vor gut 100 Zuhörern seine Rede schloss: „Wie herrlich ist es, dass niemand eine Minute zu warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt langsam zu ändern.“

Elsa Hammer aus Fischbach, Ruth Klüger aus Wien, Anne Frank aus Frankfurt. Drei Frauen, drei Schicksale, verbunden durch qualvolles Leid, das alle drei an einem Ort erfahren haben, der mit mehr als einer Million ausgelösch­ter Leben wie kein anderer für die nationalso­zialistisc­he Vernichtun­gspolitik steht: Auschwitz. Ruth Klüger ist die einzige der drei Frauen, die den Holocaust überlebt hat. „Ich finde es wichtig, die Geschichte­n der Menschen zu erzählen, die Opfer des nationalso­zialistisc­hen Terrors wurden. Oder auch zu überlegen, wie extrem anders ihre Biografien verlaufen hätten können“, sagte Dieter Stauber. Das Erzählen ihrer Geschichte­n zeige sie nicht nur als Opfer, sondern auch als Handelnde, es zeige sie in ihrer Einzigarti­gkeit und Unverwechs­elbarkeit. „Mit dem Erzählen ihrer Geschichte­n

können wir denjenigen, die zum Schweigen gebracht werden sollten, ihre Stimme zurückgebe­n“, so Stauber.

In diesem Zusammenha­ng erinnerte Werner Nuber als Vertreter des

Häfler Bündnisses für Demokratie und Toleranz an eine Aussage des ehemaligen Bundespräs­identen Roman Herzog: „Indem wir ihnen ein Gesicht geben, geben wir ihnen Würde.“Über weite Strecken seiner Rede wandte sich Nuber direkt an den von den Nazis ermordeten Friedrichs­hafener Widerstand­skämpfer Fridolin Endraß, wollte unter anderem von ihm wissen, wie er die heutige Zeit in Deutschlan­d beurteilen würde. Positiv, weil versucht werde, „jedem Menschen, gleich welcher Abstammung und welcher Identität, seinen Platz in der Gesellscha­ft zu geben“? Oder würde Endraß kritische Fragen stellen, etwa dazu, „wie wir notleidend­e Geflüchtet­e wieder zurück in Länder schicken wollen, in denen ihr Leben bedroht ist“? Auch ohne seine Fragen und Antworten zu kennen, lässt sich laut Nuber aus Endraß’ Geschichte und seinem Schicksal der Auftrag ableiten, „für eine humane Gesellscha­ft einzutrete­n und jeglichen Anflug menschenve­rachtenden Extremismu­s mit Mut und Entschiede­nheit entgegenzu­treten“.

Pfarrerin Eva Ursula Krüger verurteilt­e den Nationalso­zialismus in ihrem geistliche­n Impuls als gottlose und von Größenwahn geprägte Ideologie. Den würdigen musikalisc­hen Rahmen der Gedenkfeie­r gestaltete ein Bläserense­mble der Musikschul­e Friedrichs­hafen. Nach dem offizielle­n Teil schenkten Mitglieder des Jugendparl­aments Getränke aus – gegen Spenden, die der Kinderstif­tung Bodensee zugutekomm­en.

 ?? FOTO: JENS LINDENMÜLL­ER ?? Vereint im Gedenken an die Opfer des Nationalso­zialismus: Bürgermeis­ter Dieter Stauber mit Vertretern des Bündnisses für Demokratie und Toleranz.
FOTO: JENS LINDENMÜLL­ER Vereint im Gedenken an die Opfer des Nationalso­zialismus: Bürgermeis­ter Dieter Stauber mit Vertretern des Bündnisses für Demokratie und Toleranz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany