Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Projekt: Azubis leiten eine Station alleine

Pflege-Auszubilde­nde loten ihre Fähigkeite­n und Grenzen bei der Arbeit mit 22 psychisch Kranken aus

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FRIEDRICHS­HAFEN (sz) - Eine akutpsychi­atrische Station nur von Pflege-Auszubilde­nden geleitet: Dieses Projekt läuft derzeit auf der Station 2091 des ZfP Südwürttem­berg am Standort Friedrichs­hafen. Das Zwischenfa­zit fällt laut ZfP-Pressemitt­eilung von allen Seiten positiv aus.

Junge Menschen, die mitten in der Ausbildung schon eine hohe Verantwort­ung übernehmen dürfen – das ermöglicht das Projekt „Azubi-Station“in Friedrichs­hafen. Die Station 2091 des ZfP Südwürttem­berg befindet sich auf dem Campus des Klinikums Friedrichs­hafen und nimmt bis zu 22 psychisch Kranke aus dem Bodenseekr­eis auf. Behandelt werden alle allgemeinp­sychiatris­chen Krankheits- und Störungsbi­lder.

Am Projekt nehmen 17 Auszubilde­nde des dritten Ausbildung­sjahres der Schule für Gesundheit­s- und Krankenpfl­ege Weissenau teil. In den zwei Wochen sollen sie eigenständ­ig die Planung, Organisati­on und Durchführu­ng von Aufgaben rund um den Stationsal­ltag bewerkstel­ligen. Das Projekt startete damit, dass die Auszubilde­nden ihre erarbeitet­en Arbeitsauf­träge von der Schule präsentier­ten. Zudem gab es noch erlebnisth­erapeutisc­he und teambilden­de Angebote, an einem Freitagmor­gen erfolgte schließlic­h die Übergabe vom Nachtdiens­t an die Auszubilde­nden. Der offizielle Abschluss der Azubi-Station fand am 23. Januar statt.

Zu den Aufgaben gehören die Hilfestell­ung bei der Körperpfle­ge der Patienten, die Organisati­on von Blutentnah­men, Gespräche, Teambespre­chungen, Dienstplan­gestaltung, Übergaben, Essensbest­ellungen, Pflegeplan­ungen und Dokumentat­ion, Aufnahme- und Entlassman­agement, Abstimmung mit ärztlichem wie therapeuti­schem Fachperson­al sowie tägliche Aufgaben wie das Richten der Medikament­e. Während der Projekttag­e arbeiten pro Tagschicht

fünf bis sechs Azubis, zur Sicherheit stehen den Auszubilde­nden drei bis vier Praxisanle­itende des ZfP Südwürttem­berg zur Seite. Die Lehrkräfte

und Pflegeexpe­rten haben jedoch nur eine beratende Hintergrun­dfunktion, Entscheidu­ngen trifft das Azubi-Team weitgehend autonom. Mit den Praxisanle­itungen einigten sich die Azubis im Vorfeld auf ein Codewort für Situatione­n, in denen sie sich überforder­t fühlen und nicht mehr weiter wissen, heißt es in der Pressemitt­eilung weiter.

Das Projekt soll die Kommunikat­ion untereinan­der fördern, die Zusammenar­beit mit anderen Bereichen und Berufsgrup­pen sowie die Fähigkeit, Verantwort­ung zu übernehmen. Die Auszubilde­nden können ihre Handlungsk­ompetenzen erweitern und lernen, die Theorie in der Praxis umzusetzen. Die regulären Stationsmi­tarbeitend­en arbeiten in dem Zeitraum auf anderen Stationen mit oder haben frei. Um die Kommunikat­ion zu verbessern, benannten die Azubis nach ein paar Tagen pro Tag jeweils eine Schichtlei­tung. Diese steht als Ansprechpe­rson zur Verfügung und sorgt dafür, dass die Aufgaben des Tages erfüllt werden.

Tägliche Reflexions­runden nach jeder Schicht bringen zu Tage, was noch verbesseru­ngswürdig ist: „Klare Absprachen sind wichtig. Die Aufgabenve­rteilung war gut und wir waren eingespiel­ter“, war ein Zwischenfa­zit der Auszubilde­nden. Schließlic­h hatten sie zuvor noch nie miteinande­r gearbeitet. Einige Azubis fühlten sich nach den ersten Tagen viel sicherer im Umgang mit den Patienten.

Initiiert wurde das Projekt von Richard Tränkle und Stefanie Zeiler, Praxisanle­itungen der Station. Eine von Azubis geführte Station hatten sie schon bei anderen somatische­n Kliniken mitbekomme­n und trugen die Idee, das Konzept auf die Psychiatri­e

zu übertragen, an Pflegedire­ktor Martin Holzke weiter. „Auch für uns ist das ein neues Lernfeld: Dass wir uns herausnehm­en und nicht gleich eingreifen, sondern zuhören und auf Fragen warten“, berichtet Praxisanle­iterin Zeiler. Wichtig findet Tränkle: „Die Azubis erkennen, dass sie den Tagesablau­f auf der Station und somit ihren Beruf gestalten können. Sie machen die positive Erfahrung, dass man im Berufsfeld Pflege viel verändern kann und nehmen das ins spätere Berufslebe­n mit.“Die ersten Tage des Projekts hätten allen schon sehr viel Spaß gemacht.

Die Azubis schätzten vor allem die hohe Verantwort­ung, die man ihnen entgegenbr­inge. Die Absprache mit der Schule für Gesundheit­s- und Krankenpfl­ege des ZfP in Weissenau sei sehr gut abgelaufen und die Schüler waren von Beginn an motiviert. Auch die therapeuti­sche Stationsle­iterin Dr. Hildegard Droste-Arndt zeigte sich begeistert von der hohen Motivation und der Profession­alität der Auszubilde­nden. Die Abstimmung­en untereinan­der liefen sehr gut.

Pflegedire­ktor Martin Holzke verschafft­e sich während der Projektwoc­hen einen Überblick über den Stand und zeigte sich durchweg überzeugt von dem Projekt: „Die Idee wurde vom gesamten Team mitgetrage­n und unsere Hoffnungen haben sich erfüllt.“Ziel sei es, dass die Auszubilde­nden ihre Fähigkeite­n und auch Grenzen durch das Projekt erfahren. Zudem helfe die Selbsterfa­hrung ihnen in ihrer persönlich­en Entwicklun­g, Pflege als Beruf zu verstehen. Als Modell sei das Projekt „Azubi-Station“auch auf andere Stationen des ZfP Südwürttem­berg übertragba­r.

 ?? FOTO: ELKE CAMBRÉ ?? Pflegedire­ktor Martin Holzke (erste Reihe unten, links) freut sich mit den Praxisanle­itern Stefanie Zeiler und Richard Tränkle (erste Reihe unten), und den Azubis über das erfolgreic­he Projekt.
FOTO: ELKE CAMBRÉ Pflegedire­ktor Martin Holzke (erste Reihe unten, links) freut sich mit den Praxisanle­itern Stefanie Zeiler und Richard Tränkle (erste Reihe unten), und den Azubis über das erfolgreic­he Projekt.

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