Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
In Kanada berühmter als daheim
Leon Draisaitl hat in der NHL den Sprung zum absoluten Superstar geschafft
GLENDALE (SID) - Leon Draisaitl kratzte seinen Dreitagebart und lächelte ein bisschen verlegen. Ob er auch am Saisonende den Titel des Top-Scorers der NHL halten werde? Immerhin hat er derzeit in dieser Disziplin einen vier Punkte betragenden Vorsprung auf seinen Teamkollegen Connor McDavid? „Wir werden sehen“, sagte der deutsche Eishockeystar lapidar und wandte sich schmunzelnd von den Reportern ab. Bei aller Freude über die eigenen famosen Leistungen: Zusätzlich hervorheben mag der 24-Jährige seine bestechenden Statistiken offenkundig nicht.
Draisaitl stellt seine Edmonton Oilers in den Vordergrund. Das Hauptanliegen des gebürtigen Kölners, dessen Vater Peter einst auch die Ravensburg Towerstas als Trainer zur Zweitligameisterschaft führte, ist es, die Play-offs zu erreichen – es wäre erst das zweite Mal für die Oilers seit der Finalteilnahme 2006. Den Rest empfindet Draisaitl als schmuckes und selbstverständlich sehr nützliches Beiwerk, auch die jüngste Auszeichnung als Spieler der Woche in der NHL.
„Natürlich ist das prima, aber wir haben ein Ziel als Team – und das ist der Fokus“, sagte Draisaitl vor dem nächsten wichtigen Duell im Kampf um die Endrunde bei den Arizona Coyotes. Sein Team sei mitten in der Phase, in der jeder Punkt zählt. „Wir sind im Rennen“, betonte Draisaitl, „zuletzt hat die Richtung gestimmt, wir spielen gut und können das hoffentlich fortsetzen.“
Dass dies so ist, liegt in hohem Maße am deutschen Mittelstürmer, dem „German Gretzky“, wie er schon während seiner Juniorenzeit in Anlehnung an den großen Wayne Gretzky genannt wurde. Nach 52 Spielen steht Draisaitl, der jüngst auch zum Treffen der NHL-Besten beim All Star Game in St. Louis eingeladen war, bei einer Bilanz von 29 Toren und 54 Vorlagen – was ihn eben zum erfolgreichsten Punktesammler in der NHL macht.
Seine Rekordmarke aus der Vorsaison (105 Treffer und Assists) dürfte Draisaitl pulverisieren, wenn es so weitergeht. „Leon Draisaitl ist nicht nur auf einem Höhenflug, er ist unaufhaltsam“, schrieb die „Edmonton Sun“über die Nummer 29. Angeführt vom kongenialen Duo Draisaitl/ McDavid haben die Oilers von den jüngsten elf Spielen acht gewonnen – in jedem dieser elf Spiele hat Draisaitl gepunktet.
Es fällt selbst den NHL-Gurus in Nordamerika schwer, noch Superlative für ihn zu finden. „Es gibt nur wenige ganz besondere Spieler in der Welt, und er ist einer von ihnen“, sagte der frühere Bundestrainer Marco Sturm dem Portal „The Athletic“.
Sturm, seit geraumer Zeit Assistent bei den Los Angeles Kings, darf Draisaitls Qualitäten häufig genug bestaunen. Daheim hat Draisaitl aber längst nicht die Bekanntheit wie etwa in Kanada. Für Sturm liegt das einerseits an seiner zurückhaltenden Persönlichkeit, aber auch an der Distanz. „In Deutschland geht es eben mehr um die Sportler im Land.“