Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zitat des Tages
Originale Technik im Miniaturformat: Zeppelin-Museum zeigt historische Eisenbahnen und Motoren in Betrieb
„Die Loks fahren frei und man muss ihnen nachrennen; wenn der Druck zu hoch ist, rasen sie richtig davon“.
Jürgen Bleibler über die Ausstellung „Schienenersatzverkehr“.
Von Harald Ruppert
FRIEDRICHSHAFEN - Die kleinste Dampfmaschine, die Norbert Messmer je gebaut hat, passt mühelos in die Spanne zwischen Daumen und Zeigefinger. Er zeigt auf einen eingebauten Fingerhut. „Das ist der Kessel.“Der Kolben hat einen Durchmesser von nur 1,6 Millimetern. „Ich dachte, kleiner geht es wirklich nicht mehr“, erinnert er sich. „Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Das Wort ’unmöglich’ scheint es im Modellbau manchmal wirklich nicht zu geben.“
Davon können sich von Freitag, 7., bis Sonntag, 9. Februar, auch die Häflerinnen und Häfler im ZeppelinMuseum überzeugen, in der Ausstellung „Schienenersatzverkehr“. Das ganze Wochenende ist dem Modellbau gewidmet. Genauer: 14 authentischen Modellen historischer Dampflokomotiven
von privaten Sammlern aus der Region und weiteren 14 Modellen, mit denen die Dampffreunde Friedrichshafen die Geschichte der Antriebstechnik vor Augen führen. Dieses zweite Kapitel, erklärt Jürgen Bleibler vom Zeppelin-Museum, „reicht von einer Wattschen Dampfmaschine über den ersten Versuchsmotor von Rudolf Diesel bis zu einem Wagen mit Dampfantrieb, der im Straßenverkehr benutzt wurde.“Bei den Stichworten „Mobilität“und „Dampf“denken wir heute zu Unrecht ausschließlich an den Bahnverkehr. Das erste Dampfautomobil wurde bereits 1878 in Serie gebaut – elf Jahre, bevor Carl Benz auf der Weltausstellung in Paris seinen Patent-Motorwagen Nummer 3 mit Verbrennungsmotor vorstellte.
Ein Modell dieses Motorwagens wird im Zeppelin-Museum fahren – dank der Dampffreunde Friedrichshafen, denen Norbert Messmer angehört. „Die Modelle der Dampffreunde sind handwerkliche Meisterwerke, in denen auch viel Recherchearbeit steckt“, sagt Jürgen Bleibler. In verkleinertem Maßstab erwecken die Dampffreunde nämlich auch Motoren wieder zum Leben, die bestenfalls als stillgelegte Exponate in Museen gezeigt werden. Dabei orientieren sie sich, soweit sie erhalten sind, bis ins Detail an den originalen Konstruktionsplänen. Die Motoren werden also nicht als Bausatz gekauft und nur noch montiert, sondern in aller Regel werden die Bauteile selbst konstruiert. „Deshalb hat auch jeder von uns eine super ausgerüstete Werkstatt im Keller“, sagt Messmer über den seit gut 20 Jahren bestehenden Kreis der rund 20 Minitatur-Motorenbauer.
Natürlich werden die Motoren im Zeppelin-Museum in Betrieb zu erleben sein – wobei allein schon ihr Gewicht von bis zu 28 Kilo verdeutlicht, dass es sich hier nicht um Spielzeug handelt. Die Besucher sind eingeladen, den Konstrukteuren der Modelle ihre Fragen zu stellen. Neben Norbert Messmer sind dies Hans Schobloch, Gerold Duttlinger, Wolfgang von Zeppelin, Kurt Weissenrieder, Urs Gschwend und Hermann Wattinger. Aufgebaut werden die Motoren in der Zeppelinhalle unter der Hindenburg-Rekonstruktion. Betrieben werden sie geruchsneutral, mit Druckluft, aus Rücksicht auf die Besucher.
Anders die Eisenbahnmodelle. „Alle sind mit Dampfmaschinen ausgestattet, die mit Spiritus oder Gas beheizt werden“, sagt Jürgen Bleibler. Es gibt auch mit Kohle betriebene Modelle, „aber das kann man in einem geschlossenen Raum nicht machen“, sagt Bleibler.
Der Arbeitsaufwand, der in den Lokomotiven steckt, ist geringer als bei den Modellen der Dampffreunde. Entweder wurden die Loks bereits montiert gekauft oder als Bausatz erstanden. Das tut der Faszination des originalen Charakters keinen Abbruch: „Das sind lebendige Maschinen. Sie haben ihre Schwächen und ihre Stärken“, sagt Jürgen Bleibler. Die Technik dieser Modelle entspricht der der echten Loks - was nur möglich ist, weil es sich um Spur 1Modelle handelt, die im Maßstab 1:32 gebaut wurden. Bei einer noch stärkeren Verkleinerung könne zwar noch die Optik mit dem Original übereinstimmen, nicht aber die Technik, erklärt Jürgen Bleiber. Für die Modelle im Zeppelin-Museum bedeutet die Ausrichtung an den originalen Loks: „Erst wenn im Kessel das Wasser kocht und Dampf entsteht, kann gefahren werden“, sagt Bleibler.
Diese originale Technik will auch von Hand gesteuert werden. „Die Modell-Lok hat Regler, die man bedienen muss“, sagt Bleiber. „Das heißt, die Loks fahren frei und man muss ihnen nachrennen; wenn der Druck zu hoch ist, rasen sie richtig davon“. Allerdings nimmt auch die bequemere Regelung per Fernsteuerung zu. Zwölf Meter lang und sieben Meter breit wird die Anlage sein, auf der die Züge ihre Runden drehen. „Wir wollen die bunte Welt der Eisenbahn zeigen“, sagt Jürgen Bleibler, und zwar vor allem zu deren großer Zeit: der 1930er und 1940er-Jahre. Insbesondere in den USA wurde das Bahnfahren mit einer Lok wie der GS4 Daylight Southern Pacific zum Spektakel, denn Züge standen in Konkurrenz durch den sich ausbreitenden Flug- und Autoverkehr. „Es geht um Geschwindigkeit, um hohe Leistungen, um Design und Stromlinienform“, sagt Jürgen Bleibler. Letztlich also um eine Geschichte, die nicht nur eine Geschichte der Technik, sondern auch Kulturgeschichte ist.
Die regionale Nostalgie bleibt dabei nicht außen vor. Im ZeppelinMuseum wird nämlich auch eine altertümlich aussehende Lok der Baureihe 03 kurven, die bis 1938 von der Reichsbahn gebaut wurde. Die letzten zehn Exemplare dieser Reihe wurden zu Beginn der 1970er-Jahre auf der Südbahn eingesetzt und fuhren regelmäßig am Gleis 1 des Häfler Stadtbahnhofs ab. Komplettiert wird das Bahnhofsgefühl im ZeppelinMuseum von Ingo Ruff, dem Sprecher der deutschen Bahn. Seine Stimme erklingt für gewöhnlich von allen deutschen Bahnhöfen. Aber für den „Schienenersatzverkehr“im Zeppelin-Museum hat er extra einige Ansagen eingesprochen. Immerhin wurde das Gebäude ja auch einmal als Bahnhof genutzt.
Der „Schienenersatzverkehr“startet am Freitag, 7. Februar, um 19 Uhr. Die Modelle sind an diesem Abend noch nicht in Betrieb, aber die Sammler stehen Rede und Antwort. Am Samstag, 8., und Sonntag, 9. Februar, sind die Züge und Maschinen dann von 10 bis 17 Uhr in Aktion zu erleben. Der Eintritt ins ganze Museum kostet an diesem Wochenende sieben Euro, für Kinder bis 16 Jahre drei Euro.