Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Hohe Sprünge, coole Fahrten
Wie der 15-jährige Max Straub aus Maria-Thann zum Ski-Freestyler wurde – Trampolinspringen ist wichtig
Von Stephan Anlauf
GAIROLO - Wer die Europacuppiste der 60 Buckelpistenprofis im schweizerischen Airolo hinuntersieht, sieht eine tiefschwarze Piste. 18 Meter breit, 245 Meter lang, mit rund 80 Buckeln gespickt und bis zu 26 Grad steil – da gibt es keinen Platz für Fahrfehler. „Der kürzeste Weg ist der gerade Weg vom Start ins Ziel. Die Buckel aktiv in die Fahrt einbinden, Takt und Rhythmus halten, Oberkörper ruhig, Blick ins Tal, mit den Ski immer Schneekontakt haben“, sagt Max Straub. Das sind auch die Technikkriterien, die neben der Geschwindigkeit und den Sprüngen mit Punkten in der olympischen Disziplin Ski-Freestyle bewertet werden.
Der 15-jährige Schüler aus MariaThann, der für den WSV Isny startet, sucht seine Spur durch die einen Meter hohen Buckel, die mit drei Metern Abstand versetzt stehen. Nach dem Start darf der Athlet die Spur nicht mehr ändern, somit reduziert sich die Pistenbreite auf 1,5 Meter, in der er auch nach den Sprüngen weiterfahren muss. Konzentration und Perfektion sind gefordert, wenn es vier Sekunden nach dem Start darum geht, den optimalen Absprung für den ersten Sprung zu treffen. Die Landezone ist nur 15 Meter lang, bevor die ersten Buckel kommen.
Platz 19 beim Debüt
Max Straub entschied sich beim Europacup für einen Backflip Cross (Rückwärtssalto), wobei er die Ski kreuzt. Bewertet wird die Höhe, die Weite, der Schwierigkeitsgrad und die Ausführung des Sprunges. Die Schwierigkeit liegt darin, so viele Manöver wie möglich in die zwei Sekunden Flugzeit einzubauen. „Ich war sehr aufgeregt. Erstens war es mein erster Europacup und zweitens hatte ich im Training nach der Landung Probleme“, sagt Straub. Der Allgäuer blendete die Probleme aus, fuhr konzentriert – aber verpasste das Finale der besten 16 knapp. „Nachdem ich nach der Landung meines Backflip Cross gut weitergefahren bin, wusste ich, dass es passt und ich wurde ruhiger. Als ich dann hörte, dass ich 62,82 Punkte erreicht habe, war ich sehr glücklich mit meinem 19. Platz bei meinem ersten Europacup.“
Neben dem klassischen Training – etwa Konditions- und Koordinationstraining versucht Max Straub, seine Sprünge zu optimieren und neue Sprungvarianten einzuüben. Das geschieht unter anderem beim Trampolinspringen. Verschiedene Sprungelemente werden zuerst auf dem Trampolin und dann auf einer
Wasserschanze trainiert. Hier kann Straub alle möglichen Sprungvarianten versuchen, die Verletzungsgefahr ist nicht so hoch.
Gaumeister im Trampolin
Straub trainiert seit 2017 im Ski-Freestyle-Team des Allgäuer Skiverbandes (ASV). „Ich habe beim Skifahren an der Kanzelwand das FreestyleSchanzentraining gesehen. Es hat mich beeindruckt und ich habe gefragt, ob ich mitspringen darf. Die
Trainer haben mir die ersten Tricks gezeigt und es hat mir gut gefallen“, sagt der 15-Jährige. Er kam noch mal zum Schnuppertraining und wurde dann zum Sommertraining eingeladen. „Neben den Trampolineinheiten mit und ohne Ski standen auch
Klettern, Mountainbiken und Wakeskate auf dem Programm. Alles, was ich auch gerne mache“, sagt Max Straub.
Seit zwei Jahren fährt der Schüler sehr erfolgreich bei nationalen und internationalen Freestyle-Veranstaltungen mit. Es gibt Sprungwettkämpfe wie Big Air, Kunstspringen – sogenannte Aerials – und Buckelpistenrennen. Max Straub ist aktuell deutscher Vizemeister bei den Junioren, bayerischer Vizemeister der
Männer und Ranglistenzweiter im Deutschen Schülercup. Neben dem Freestyle-Trampolintraining des ASV trainiert er seit dem vergangenen Jahr mit den Trampolinturnern der MTG Wangen. Straub ist sogar Gaumeister seiner Klasse.
Akrobatisch, atemberaubend, spektakulär. Das sind Wörter, die man am Rande der Piste von Zuschauern hört. Es sieht so einfach aus, wenn die Topathleten wie Max Straub durch die Buckel fahren. 60 Prozent der Gesamtwertung macht die Technik aus, je 20 Prozent die Geschwindigkeit und die zwei unterschiedlichen Sprünge. Die Buckel sollen aggressiv und aktiv angefahren werden. Die Beine spielen dabei im besten Fall mit dem Rhythmus, den die Buckel vorgeben. Der Oberkörper bleibt ruhig in zentraler Position. Die aktive Beinbewegung, die sehr kurzen präzisen Schwünge sowie das Kontrollieren der Ski verlangen einen erheblichen Kraftaufwand. Straub und seine Konkurrenten müssen daher sehr fit sein.
Duelle gegen Weltcupfahrer
Der Allgäuer fährt und springt bis zur persönlichen Grenze. Weil sich die Buckel je nach Fahrt und je nach Läufer verändern, müssen die Profis vor und während der Fahrt gleichermaßen denken. Ein Amateur fährt los und denkt erst dann. Straub kann sich laut eigener Aussage gut fokussieren und im Rennmodus konzentriert agieren. Das hat er im Sommer bei der Europameisterschaft im Sandskifahren gezeigt. Beim Parallelslalom auf einer 33 Grad steilen Piste wurde er in der Jugend Erster und bei den Erwachsenen Vize-Europameister. Dabei waren auch zwei Olympioniken, unter ihnen der Vorjahressieger Filip Forejtek aus Tschechien, mit am Start.
Beim Europacup-Dual-Rennen, bei dem zwei Fahrer im K.-o-System gegeneinander antreten, traf Straub unter anderem auf den Weltcupfahrer und späteren Bronzemedaillengewinner Rasmus Karjalainen aus Finnland, gegen den er knapp ausschied. „Auch diese Erfahrung ist für junge Athleten wichtig, hier fährt man international in einer anderen Liga, trifft oft auf Weltcupfahrer oder auch auf den Dritten der Weltmeisterschaften – damit muss jeder Athlet klarkommen“, sagt Werner Weber, Freestyle-Sportwart im ASV. Dass Weber und sein Team ein Gespür für Talente hat, konnte man auch bei der Ellhofenerin Katharina Förster sehen. Sie lief durch die Kaderschmiede des Ski-FreestyleTeams des ASV und stand 2018 im olympischen Buckelpisten-Finale.