Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wenig Interesse in Brüssel
Für ein packendes Gerichtsdrama braucht es zweierlei: abscheuliche Missetaten und Schuldige vor tiefem Fall. Gemessen daran hatte der Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre im Verteidigungsministerium nie eine echte Chance, sich zum politischen Straßenfeger zu entwickeln. Denn der Sachverhalt ist einigermaßen kompliziert, lässt sich nicht in Schwarz und Weiß darstellen – und die wichtigsten Figuren sind längst über alle Berge. Rücktritte oder Rauswürfe, sonst die mit Spannung erwarteten Höhepunkte der Handlung, schieden quasi von Anfang an aus.
Vor allem die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen war – um in der Sprache der Dramatik zu bleiben – im vergangenen Sommer vom Brüsseler Deus ex Machina aus misslicher Lage gerettet worden: Die von Pannenfliegern, Soldatengemurre und außer Kontrolle geratenen Dienstleistern bedrängte Ressortchefin wurde über Nacht Madame Europa. Für deren Berliner Compliance-Sünden interessiert sich aber in Brüssel angesichts von Brexit, Klimakrise und Handelskriegen kaum jemand.
Bleiben die Missetaten selbst. Der Ausschuss hat in hartnäckiger und sorgfältiger Arbeit einiges zusammengetragen. Massenhaft und vielfach vorschriftswidrig wurden im Verteidigungsministerium teure Aufträge zulasten der Steuerzahler und zugunsten selbstherrlicher Berater vergeben. Die Dienstleister bedienten sich irgendwann vor allem selbst. Allerdings fällt es selbst der Opposition schwer, ein einigermaßen exaktes Preisschild an die Verfehlungen zu kleben.
Hinzu kommt: Fast niemand bestreitet, dass externe Beratung in der Truppe bitter nötig war. Auch beim Umsteuern der verkorksten Rüstungsbeschaffung wurde Hilfe von außen gebraucht. Eines aber haben Tausende Seiten Papier und Hunderte Stunden Zeugenvernehmung wieder einmal ziemlich klar ergeben: Im Verteidigungsministerium mangelt es nicht nur an Digitalkompetenz und Prozesssteuerungswissen, sondern auch an der Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme.