Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Grönland will Schmelzwasser exportieren
Klimawandel ermöglicht neue Einnahmequelle
KOPENHAGEN (dpa) - Das besonders vom Klimawandel betroffene Grönland will sein Schmelzwasser einem Medienbericht zufolge zu einem Exportprodukt machen und an Unternehmen verkaufen. „Jetzt sagen wir der Welt: Wir haben große Mengen reinsten Wassers, und wir bieten ihr an, diese Ressource zu nutzen“, sagte Grönlands Energieminister Jess Svane dem „Tagesspiegel“. Neun kleinere Projekte hätten bereits die Lizenz zum Exportieren von Trinkwasser erhalten. „Aber wir wollen expandieren und unser Wasser mit dem Rest der Welt teilen“, sagte Svane der Zeitung. 16 Lizenzen zur Wassergewinnung seien deshalb insgesamt ausgeschrieben worden.
Grönland ist weitgehend autonom, gehört wie die Färöer-Inseln aber zum Königreich Dänemark und ist wirtschaftlich stark von den Dänen abhängig. Daran wollen die
Grönländer verstärkt etwas ändern. „Die Menschen in Grönland möchten wirtschaftlich unabhängig werden, und diesen Kurs verfolgen wir im Moment“, sagte Svane dazu.
Dabei bekommt Grönland den Klimawandel besonders stark zu spüren: Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie die restliche Erde, von 2012 bis 2017 schmolzen laut Forschern jährlich rund 239 Milliarden Tonnen des Grönland-Eisschildes – das entsprach knapp dem 13-fachen des geschmolzenen Eises 20 Jahre zuvor. Damit befindet sich die über Öl- und Gasreserven verfügende Region in einem Zwiespalt zwischen Klimaschutz und wirtschaftlichen Möglichkeiten etwa durch neue Schifffahrtsrouten. Das Land könnte eine Art Saudi-Arabien des Nordens werden. Auch deshalb bemühen sich die USA bereits seit Längerem um einen höheren Einfluss in der Region und um eine mögliche Kooperation mit Grönland. Dabei konkurrieren sie mit der dänischen Wirtschaft.
2019 hatte US-Präsident Donald Trump verkündet, er wolle Grönland kaufen – ein Vorschlag, dem die dänische Regierung postwendend eine Absage erteilte. Darüber hinaus ist die Insel mit nahem Zugang zum Nordpol auch strategisch wichtig.
Auch Svane ist bewusst, dass der Klimawandel seinen Teil zum Schmelzen des Eises liefert. „Aber er sorgt auch dafür, dass die Wasserknappheit auf der Welt zunehmen wird“, sagte der Minister dem „Tagesspiegel“. Reichlich Schmelzwasser gebe es in Grönland schon seit Jahrtausenden, aber erst jetzt habe man erkannt, dass man daraus „ein marktfähiges Produkt“machen könne, das anderswo fehle. „Es ist Wasser, das bei uns sonst ungenutzt abfließen würde“, sagte Svane.