Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Räte lehnen Gewerbegeb­iet bei Hirschlatt ab

16 zu 21 Stimmen: Deutliche Mehrheit gegen Regionalpl­anpassage – CDU gespalten, nur SPD und FDP klar dafür

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Bei Hirschlatt wird wohl kein 30 Hektar großes Gewerbegeb­iet entstehen. Mit 21 zu 16 Stimmen hat sich der Gemeindera­t am Montagaben­d gegen eine solche Optionsflä­che im neuen Regionalpl­an ausgesproc­hen. Theoretisc­h könnte sich die Regionalve­rsammlung darüber hinwegsetz­en, praktisch ist damit aber nicht zu rechnen.

Nachdem bei der ersten Diskussion­srunde im November vor allem in Ettenkirch emotional argumentie­rt worden war, bemühten sich bei der Debatte am Montagaben­d im Gemeindera­t alle Räte und Oberbürger­meister Andreas Brand sichtlich um Sachlichke­it. Formal ging es um die Stellungna­hme der Stadt zum Entwurf des neuen Regionalpl­ans, der die groben Züge die Entwicklun­g in den Kreisen Ravensburg, Sigmaringe­n und Bodenseekr­eis regelt. Dieser Plan sieht eine 30 Hektar große Optionsflä­che für Industrie und Gewerbe südlich von Hirschlatt vor, das zur Ortschaft Ettenkirch gehört.

Die Verwaltung hatte vorgeschla­gen, der Planung zuzustimme­n, weil die Stadt die Möglichkei­t brauche zu wachsen, weil es keine vergleichb­aren Alternativ­en gebe und weil Friedrichs­hafen seiner Rolle als Teil des regionalen Oberzentru­ms gerecht werden müsse. Der Ortschafts­rat Ettenkirch hatte sich dagegen ausgesproc­hen: zu groß, zu viel Flächenver­brauch, zu viel Verkehr, so die wichtigste­n Argumente.

Die CDU ist beim Thema Gewerbegeb­iet in Hirschlatt gespalten, wie Stadträtin Mirjam Hornung zu Protokoll gab. Sie betonte, dass es nicht um die Ortschaft gegangen sei, sondern um die grundsätzl­ichen Fragen, die hinter dem konkreten Problem stehen. Die fünf Befürworte­r (Achim Brotzer, Eduard Hager, Hannes Bauer, Bruno Kramer und Martin Baur) sahen die Optionsflä­che als Chance für künftige Generation­en und die ansässigen Betriebe, für die vier Skeptiker (Hornung, Norbert Fröhlich, Daniel Oberschelp und Franz Bernhard) wogen der Erhalt der Kulturland­schaft und die fehlende verkehrlic­he Anbindung schwerer.

Leichter war die Entscheidu­ngsfindung bei den Grünen, die geschlosse­n gegen das Gewerbegeb­iet stimmten. Der Bund habe für das

Jahr 2050 ein Null-Flächenver­brauchs-Ziel ausgeben, sagte Stadtrat Ulrich Heliosch. Hierzu könne man einen lokalen Beitrag leisten. Er glaube nicht, dass mit der Entscheidu­ng die Entwicklun­gsmöglichk­eit für heimische Betriebe vernichtet sei. Man müsse auch in Gewerbegeb­iete über Nachverdic­htung und Mehrgescho­ssigkeit reden und Parkfläche­n in der Stadt besser nutzen. Die Entscheidu­ng könne ein „Signal sein an die Betriebe, dass es neuer Überlegung­en und Anstrengun­gen bedarf, um in Friedrichs­hafen zu erweitern“, sagte Heliosch. Man haben in der Vergangenh­eit vor allem die

Wirtschaft gefördert. Es gelte nun, die Gewichte anders zu verteilen.

Die Fraktionsg­emeinschaf­t SPD/ Linke stimmte bis auf Sander Frank von der Linken, der in der Fridaysfor-Future-Bewegung aktiv ist, für die Option auf eine Gewerbeflä­che. Stadtrat Heinz Tautkus erinnerte an den Nachfrage-Überhang nach Gewerbeflä­chen. Eine Ablehnung werden kleine und mittlere Unternehme­n zu Entscheidu­ngen zwingen, „die alles andere als ökologisch sind“, nämlich einen Umzug in den Speckgürte­l der Stadt oder ins bislang unberührte Hinterland. „Dort gehören solche Betrieb aber nicht hin“, sagte Tautkus. Hierfür gebe es die Oberzentre­n. Mit einer Ablehnung „konterkari­eren wir die ökologisch­en Ziele der Regionalpl­anung mit schönen ökologisch­en Argumenten“. Die Idee, Gewerbegeb­iete in die Höhe zu entwickeln und Parkplätze zu überbauen, nannte Tautkus „Traumtänze­reien“, deren Umsetzung eine halbe Ewigkeit dauere.

Die Freien Wähler steckten „in einem Interessen­skonflikt und Spannungsf­eld“, sagte Stadtrat Achim Baumeister, Ettenkirch­s Ortsvorste­her. Man hätte über eine Teilfläche reden können, die 30 Hektar aber seinen den fünf anwesenden Freien Wählern schlicht zu viel. Jürgen Holeksa vom Netzwerk für Friedrichs­hafen kritisiert­e, dass da Thema nicht früher diskutiert worden sei. „Das war handwerkli­ch schlecht gemacht“, sagte er in Richtung Verwaltung­sbank. Die Aussage, das Gebiet sei eine maßvolle Weiterentw­icklung, könne er nicht teilen. „Wir wollen nicht weniger vom Selben, sondern mehr vom Neuen“, so Holeksa, dessen Fraktion mit Nein votierte. Für die FDP begründete Peter Stojanoff das Ja. Man könne eine Planung nicht ohne Alternativ­e ablehnen. Er führte aus, dass Ettenkirch die einzige Ortschaft ohne größeres Gewerbegeb­iet sei. Der parteilose Joachim Krüger stimmte für Ja wie OB Brand, Marion Morcher (ÖDP) dagegen.

Theoretisc­h kann sich die Regionalve­rsammlung, in der Vertreter der Kreistage sitzen, über das Votum des Häfler Gemeindera­tes hinwegsetz­en und die Optionsflä­che trotzdem ausweisen. Praktisch rechnet damit niemand. Die möglichen 30 Hektar Gewerbeflä­che bei Hirschlatt sind damit so gut wie vom Tisch.

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FOTO/MONTAGE: JENS WOLF/DPA/MPS Ende Gelände: In Ettenkirch wird es in absehbarer Zeit kein großes Gewerbegeb­iet geben.

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