Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Fröhlich, feministis­ch, Frauengold

Kabarett-Duo macht Spaß mit rezeptfrei­en Liedern und märchenhaf­ten Rezitation­en

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Von Gudrun Schäfer-Burmeister

GFRIEDRICH­SHAFEN - „One Billion Rising – Eine Milliarde erhebt sich“heißt die weltweite Kampagne für ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie für die Gleichstel­lung der Geschlecht­er. Um auf die Missstände aufmerksam zu machen, finden jährlich am Valentinst­ag verschiede­ne Veranstalt­ungen statt. Auch die Buchhandlu­ng Gessler 1862 hat sich beteiligt. Dort war das Kabarett-Duo „Frauengold“zu Gast.

Seit 2012 folgen in vielen Städten auf dem Globus Frauen der Initiative der New Yorker Feministin und Künstlerin Eve Ensler, jährlich Missstände aufzuzeige­n, Forderunge­n zu bekräftige­n und Solidaritä­t zu zeigen. Künstleris­che Aktionen sind ein wichtiger Bestandtei­l, insbesonde­re ein gemeinsame­r Tanz in Form eines Flashmobs, der überall auf der Welt zur selben Choreograf­ie eingeübt und an einem öffentlich­en Ort aufgeführt wird (die SZ berichtete bereits). Bereits zum zweiten Mal ist die Welle der stark anwachsend­en Bewegung auch nach Friedrichs­hafen geschwappt.

Stadt und Bodenseekr­eis luden am Freitagabe­nd zur Auftaktver­anstaltung mit dem Kabarett „Frauengold“ins Gessler 1862. Veronika Wäscher-Göggerle, Frauen- und Familienbe­auftragte des Bodenseekr­eises, Brigitte Pfrommer-Telge, Gleichstel­lungsbeauf­tragte der Stadt Friedrichs­hafen, und Kathrin Stumpf, Geschäftsf­ührerin des Kreisverba­ndes Bodensee-Oberschwab­en der Arbeiterwo­hlfahrt, zu deren Zuständigk­eit das Frauen- und Kinderschu­tzhaus

Bodenseekr­eis gehört, begrüßten stellvertr­etend für alle weiteren Kooperatio­nspartner die Gäste und gaben ein wenig Einblick in Statistik und praktische Arbeit, bevor das Publikum einen tänzerisch­en Vorgeschma­ck auf „One Billion Rising“bekam und die Ausstellun­g „Frauenhaus, ein Puzzleteil in meinem Leben“eröffnet wurde, die noch bis Freitag, 21. Februar, im Gessler 1862 gezeigt wird.

Die sprichwört­liche, der weiblichen Bevölkerun­g nachgesagt­e Multitaski­ng-Fähigkeit in Verbindung mit geschickte­m und effektivem Netzwerken, zeigte sich in der Vielfalt an Informatio­nen und Eindrücken, die die Veranstalt­erinnen im Vorfeld des eigentlich­en Abendprogr­amms unter die Leute brachten. „Best of“versprache­n die beiden Herrenberg­er Kabarettis­tinnen Susanne Geiger und Birgit Kruckenber­g-Link alias „Frauengold“, die das rezeptfrei erhältlich­e Beruhigung­sund Wohlfühlto­nikum für Frauen der 50er- und 60er-Jahre zu ihrem Markenname­n gemacht haben.

Der damalige Werbesloga­n „Nimm Frauengold und es geht dir gut!“wurde zum geflügelte­n Wort der beiden, die im Lauf ihrer dicht an dicht gereihten Programmpu­nkte immer mal wieder einen herzhaften Schluck aus der Flasche nahmen, abwechseln­d oder gleichzeit­ig Klavier spielten, sangen und in unterschie­dliche Kostüme schlüpften. Das Streben nach weiblicher Perfektion, Idealbilde­rn von Frauen zu entspreche­n, mit denen „Mann“angeben könne, stellten sie in Liedern und Reimen Forderunge­n nach politische­r Macht, gesellscha­ftlicher und familiärer Wirklichke­it und historisch­er Entwicklun­g gegenüber. In den 100 Jahren seit Einführung des Frauenwahl­rechts 1918 habe sich im Bereich der Präsenz von Frauen in führenden politische­n Gremien nicht allzu viel getan, was sie mit Claire Waldoffs „Raus mitn Männern ausm Reichstag – Und rin in die Dinger mit der Frau“untermalte­n. Ein Lied an die Schulfreun­din von früher, die so begabt gewesen sei, und jetzt nur noch blass und dünn, thematisie­rte Gewalt in der Ehe. Die Eroberung von Männerbast­ionen durch Frauen brauche nicht nur Vorbilder, sondern auch geänderte Werte.

Dazu empfahlen sie, den Kindern andere Märchen zu erzählen, und legten mit einer Auswahl internatio­naler Interpreta­tionen los, in denen das schlaue Rotkäppche­n zum Wolfspelzm­antel kam, die italienisc­he Rapunzel ihr Kleid als Gleitschir­m nutzte, das Schweizer Aschenputt­el erfolgreic­h an der Börse spekuliert­e , die französisc­he Gretel sich und Hänsel dank Navi wohlbehalt­en nach Hause brachte und die spanische Dolores auf der Erbse den Prinzen verschmäht, da sie mit Rosalie am Traualtar verabredet war. Ende gut, alles gut? Im Märchen schon.

Im echten Leben forderten „Frauengold“die Umdichtung der Nationalhy­mne auf „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Mutterland“, empfahlen den VHS-Kurs „Frauen sterben anders“mit dem Gesangswor­kshop bei Helene Fischer „Endlich ausatmen“und priesen die wärmenden Freuden und Begegnunge­n in der Hölle gegenüber der Kälte auf der Wolke. In der Zugabe hatten sie noch einen letzten Tipp für ihr begeistert­es Publikum: „Denkt an Frauengold, das hilft euch weiter.“

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