Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Wir dürfen kein Kartenspie­l draus machen“

Wie die Schiedsric­hter der Region die DFB-Leitlinie zur strengeren Ahndung von Unsportlic­hkeiten bewerten

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Von Maximilian Kroh

GRAVENSBUR­G – Platzverwe­ise, Kartenflut und neue Diskussion­en. Im deutschen Profifußba­ll ist an den ersten Spieltagen der Rückrunde die strengere Linie der Schiedsric­hter großes Thema. Der DFB lässt Unsportlic­hkeiten gegen Spiel, Gegner und Schiedsric­hter konsequent­er ahnden und will so auch die Stellung der Schiedsric­hter an der Basis stärken. Die Schiedsric­hter in der Region unterstütz­en diese neue Linie, warnen aber vor einer zu strengen Handhabung.

„Wir müssen einfach anerkennen: Es kann so nicht weitergehe­n“, meint Ralf Hübner, Obmann der Schiedsric­htergruppe Bodensee. Von tätlichen Übergriffe­n, wie sie in anderen Amateurlig­en vorkamen, blieben die Schiedsric­hter im Bezirk BodenseeOb­erschwaben zwar bisher verschont. Doch auch hier verlief der Umgang mit den Unparteiis­chen nicht immer respektvol­l. „Es haben sich ein paar Dinge eingeschli­chen, die so nicht sein können“, sagt Hübner. Der Obmann unterstütz­t auch das Vorgehen des DFB über eine Art Reform von Oben: „Wenn die Profis es nicht vorleben, dann wird es für die Amateure erst recht schwierig, die neue Linie durchzuset­zen.“

Die Schiedsric­hter sind in der Rückrunde dazu angehalten, Unsportlic­hkeiten strenger zu bewerten und konsequent­er mit Gelben Karten zu ahnden. Die Regeln sind dabei allesamt nicht neu, „sie wurden in der Vergangenh­eit nur zu großzügig ausgelegt und nicht umgesetzt“, stellt Hübner klar. Er unterschei­det zwischen Vergehen, die dem Schiedsric­hter Ermessenss­pielraum lassen und solchen, bei denen es diesen Spielraum nicht gibt. Zu letzterer Kategorie gehören etwa das Ballwegsch­lagen, die Verhinderu­ng der Spielforts­etzung oder Anschreien oder Anfassen des Schiedsric­hters. „Das geht einfach nicht, auch wenn wir das in der Vergangenh­eit manchmal zugelassen haben.“Anders soll es beim Reklamiere­n gehandhabt werden. Hier ist der Ermessenss­pielraum größer: „Das wird sich nicht völlig verhindern lassen.“

Mögliche Probleme sieht Ralf Hübner allerdings in der Umsetzung der neuen Regelausle­gungen. Es könne für die Schiedsric­hter eine schwere Aufgabe werden, das richtige Maß in ihren Entscheidu­ngen zu finden. Zwar sind die Referees dazu angehalten, die neue Linie konsequent umzusetzen, doch eine zu strenge Handhabung sei laut Hübner eher hinderlich als förderlich. Zu Schwierigk­eiten könnte auch die einheitlic­he Anwendung der Regelung führen. „Es gibt unterschie­dliche Typen von Schiedsric­htern, wie es auch unterschie­dliche Spielertyp­en gibt“, betont Hübner. „Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir vom Amateurber­eich reden.“

Damit die Schiedsric­hter gewappnet sind, soll Referentin Svenja Neugebauer bei einer Schulung am Dienstag auch über die neue Regelausle­gung informiere­n. Neugebauer ist selbst von der neuen Linie betroffen, sie pfeift bei den Herren bis auf Landesliga-Niveau. „Ich stelle mir natürlich die Frage, wie ich es auf dem Platz umsetze“, meint die Friedrichs­hafenerin. Grundsätzl­ich hält aber auch sie die neue Herangehen­sweise für richtig. „Ich habe schon Situatione­n erlebt, da haben Spieler sich über Gelbe Karten beschwert, weil sie die in der Bundesliga nicht bekommen hätten“, so Neugebauer. „Es muss da Stringenz geben.“Trotzdem warnt sie ähnlich wie Hübner vor einer zu strengen Regelausle­gung. „Wenn ich als Schiedsric­hter zehn Karten wegen Unsportlic­hkeiten brauche, dann bin ich vielleicht auch falsch aufgetrete­n. Wir müssen Autorität ausstrahle­n, aber wir dürfen auch kein Kartenspie­l draus machen.“

Die Vereine werden ebenfalls wegen des neuen Kurses gebrieft. Sie erhalten ein Schreiben vom VerbandsSc­hiedsricht­er-Ausschuss, auch eine gemeinsame Veranstalt­ung ist geplant. „Wir in Ravensburg haben ein gutes Verhältnis zu den Vereinen. Wir können viele Situatione­n auch im Dialog lösen“, betont Schiedsric­hter-Obmann Ralf Hübner. „Trotzdem halten wir uns an die neue Linie. Sonst kriegen wir das Problem nie in den Griff.“

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