Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ultras auf Bewährung
Der FC Bayern spielt im Viertelfinale bei Schalke 04 – Nach den Vorfällen in Sinsheim wird jedoch kaum über das Sportliche gesprochen
Von Patrick Strasser
GMÜNCHEN - Da ist der dringende Wunsch nach Normalität, nach einem ganz normalen Fußballspiel mit all den Emotionen und Unwägbarkeiten. Das spürt man auf beiden Seiten, bei Gastgeber FC Schalke und dem FC Bayern München, vor dem Viertelfinale im DFB-Pokal. Aber ob dieser Wunsch nach den Vorkommnissen in Sinsheim samt der anschließenden Debatten (siehe oben) wirklich Realität wird?
Nicht alle Augen werden am Dienstag (20.30 Uhr, ARD und Sky) in der Veltins Arena auf das Spielfeld gerichtet sein. Im Fokus stehen die Kurven beider Fanlager. Wie werden sie sich verhalten? Folgt auf das deutliche Contra inklusive der angedrohten harten Konsequenzen, etwa durch Bayerns Vorstandchef KarlHeinz Rummenigge, eine Reaktion? Gar eine Gegenoffensive mittels Transparenten? Schließen sich die
Ultras beider Clubs in einem Bündnis gegen die DFL, ihre Vereine und den DFB zusammen? Besonders der Verband könnte erneut zur Zielscheibe der Proteste aufgrund der gegenüber den BVB-Fans ausgesprochenen Kollektivstrafe werden, außerdem ist er Veranstalter dieses Wettbewerbs. So oder so – die Ultras agieren auf Bewährung.
Und so musste sich Bayerns Trainer Hansi Flick am Montag an der Säbener Straße dazu äußern, ob er etwa einen durch die Ultras herbeigeführten Spielabbruch befürchte? Gemäß des Drei-Stufen-Plans angesichts von Diskriminierungen in Fußballstadien, herausgegeben durch den Weltverband FIFA, würde ein dritter Vorfall (in Hoffenheim waren es zwei) zum Spielabbruch führen. „Ich hoffe, dass wir uns auf Fußball konzentrieren können“, sagte Flick, der seinen Ärger wiederholte: „Die sportliche Leistung meiner Mannschaft wurde durch eigene Fans, die normalerweise zum Verein stehen sollten, verdorben. Ich bin enttäuscht von den wenigen Fans, die diese Aktion gestartet haben.“
Die Schickeria, die größte UltraGruppierung der Münchner Südkurve, eher linksorientierte Anhänger, hatte die ersten Transparente gezeigt, die Gruppe Red Fanatic mit ihrem Banner für die zweite Spielunterbrechung geführt. Der „Club Nummer 12“, der Dachverband der aktiven Fanszene, distanzierte sich von den Aktionen. Der Verein habe, so Rummenigge am Montag bei „bild.de“, eine Kommission gegründet, um die Vorkommnisse aufzuarbeiten. Rummenigge: „Ich bin ein Freund von Dialogen, aber wir haben bislang keine Lösung gefunden, die mit den Ultras vereinbar wäre. Es macht für mich den Eindruck einer Einbahnstraße, in der die Fans nur nehmen und die Vereine nur geben.“
Dass die Fanproteste nun plötzlich aufhören, „kann ich mir schwer vorstellen“, meinte Flick und betonte mehrmals: „Ich möchte mich jetzt aufs Sportliche konzentrieren.“Das Ziel der Bayern ist klar: das Pokalfinale. „Die beiden letzten Spiele haben gezeigt, welchen Fußball wir spielen können. Das ist eine Messlatte. Klar will ich das als Trainer immer sehen. Die Mannschaft macht körperlich und spielerisch einen super Eindruck. Das Komplettpaket stimmt.“
Zwei Bayern-Spieler stehen im Fokus, die ebenfalls auf Bewährung in der Startelf stehen: Philippe Coutinho, der in Hoffenheim überzeugte und in der von ihm nicht unbedingt favorisierten Rolle als Linksaußen doppelt traf, darf erneut beweisen, dass er als Saison-Leihgabe vom FC Barcelona (für 8,5 Millionen Euro) keine Fehlinvestition ist. Und da ist der 18-jährige Mittelstürmer Joshua Zirkzee, der den verletzten Toptorjäger Robert Lewandowski ersetzen darf – oder muss. „Joshua macht das gut – nicht top, aber gut. Ganz ordentlich“, versuchte sich Flick nach Zirkzees Treffer in Hoffenheim an einem vorsichtigen Lob. „Wenn er irgendwann auf dieser Position dauerhaft in diesem Verein spielen möchte, dann muss er noch einiges zulegen. Aber das weiß er auch.“