Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Schnelle Lösung
Ex-Nationalspieler Herrlich neuer Trainer in Augsburg
STUTTGART - Im Vorjahr brachte der VfB Stuttgart das Kunststück fertig, zweimal in Folge gegen die jeweils Zweitligaletzten Wehen und Kiel zu Hause zu verlieren – trotz Zuschauerunterstützung. In diesem Jahr soll es umgekehrt laufen. Weil die Kellerkinder ihre Heimspiele mutmaßlich aufgrund des Coronavirus ohne Fans austragen müssen, hofft Stuttgarts Mittelfeldspieler Gonzalo Castro auf die Kraft der Stille. „Es ist gut, dass wir Geisterspiele haben. Ich bin großer Hoffnung, dass wir da gewinnen werden“, sagte der Ex-Nationalspieler – augenzwinkernd.
Auch der Rechtsverteidiger weiß natürlich, wie wenig aufstiegsreif sich der VfB Stuttgart in dieser Saison bisher in fremden Stadien präsentiert hat. Nur Zehnter ist das Team in der Auswärtstabelle, wie man es macht, erfuhr der VfB am Montagabend von den Gästen aus Bielefeld. Der Tabellenführer zeigte am Neckar, warum er jene Statistik ebenso wie die gesamte der 2. Bundesliga mit weitem Abstand anführt. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Arminen, die nach der Pause besser waren, hätten nach einem 0:1Rückstand noch gewonnen, allerdings verdaddelte Joker Cebio Soukou, der nach zwei Großchancen durch Torjäger Fabian Klos kurz zuvor das 1:1 erzielt hatte (76.), Sekunden vor Schluss einen hochkarätigen Konter allein vor VfB-Torhüter Gregor Kobel. Am Ende musste auch Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo erkennen: „Bielefeld steht zu Recht dort oben. Sie sind das stabilste Team der Liga und in der
Chancenauswertung das effizienteste. Das haben sie uns voraus.“
Den Vorwurf, dass er Torschütze Mario Gomez zu früh auswechselte, in Atakan Karazor einen dritten Innenverteidiger brachte und damit zu sehr auf Halten spielte, wollte Matarazzo aber nicht auf sich sitzen lassen. „Bielefeld hat einen zweiten Stürmer gebracht, durch Sven Schipplock viel Druck auf den Ball gemacht und viele hohe Bälle in die Mitte geschlagen. Schon vor dem Ausgleich haben sie uns damit Probleme bereitet, deshalb habe ich die Verteidigung gestärkt.“
Nur: Gefruchtet hat es nicht, und so beendete der VfB erstmals seit dem 20. Oktober ein Heimspiel ohne Sieg. Dass Sportdirektor Sven Mislintat danach sauer auf den Schiedsrichter war, der bei Soukous Tor ein angebliches Foulspiel an Patrick Stenzel nicht geahndet hatte, war etwas überflüssig – denn die Art, wie Stenzel in den Zweikampf ging und sich nach einem leichten Ellbogentreffer fallen ließ, war nicht gerade aufstiegsreif.
Im Endeffekt allerdings blieb nach diesem ersten Spitzen-Heimspiel für den VfB, dem ein weiteres gegen den
Ligadritten Hamburger SV am 6. April folgt – dann mutmaßlich ohne Zuschauer –, tabellarisch alles beim Alten. Bielefeld liegt weiter sechs Zähler vor dem VfB und sieben vor dem HSV, die sich wohl um den zweiten Direktaufsteiger-Platz streiten werden. Anders gesagt: Der, der am 6. April verliert, wird wohl maximal den Relegationsplatz erreichen. Der VfB sieht es positiv. „Wir haben den Direktaufstieg immer noch in der eigenen Hand“, sagte Sven Mislintat, Castro sah es genauso und forderte seine Mannschaft zum Handeln auf: „Wir sind verdammt, eine kleine Serie zu starten, um Hamburg hinter uns zu lassen.“
In diesem Fall wären die Stuttgarter allerdings auch dazu verdammt, sich spielerisch zu verbessern. Auch Matarazzo dürften die auffallend zahlreichen Stockfehler, Ballverluste oder schlampigen Zuspiele, etwa von Silas Wamangituka, Holger Badstuber, der insgesamt ein ordentliches Comeback feierte, oder Nathaniel Philipps, nicht entgangen sein. Auch Spielmacher Daniel Didavi hatte nicht seinen besten Tag, wurde allerdings auch hauteng bewacht von Bielefeldern, die den Stuttgartern keinen Zentimeter Raum ließen und von Trainer Uwe Neuhaus exzellent eingestellt worden waren. Seit der 60-Jährige die Arminia Ende 2018 übernahm, hat seine Elf nur sechsmal verloren, 2020 bleibt sie ungeschlagen. „Wir wussten vor der Saison, dass wir eine eingespielte, starke Mannschaft haben. Man kann es sich erträumen und wünschen, aber dass wir jetzt diesen Vorsprung haben, hätte ich nicht gedacht“, räumte Neuhaus ein. Und: Man habe nun eine ein Jahr lange Reifeprüfung hinter sich.
Dennoch sei Bielefelds achter Bundesliga-Aufstieg elf Jahre nach dem letzten Abstieg noch keineswegs sicher. „Jeder, der mal Fußball gespielt hat weiß, was noch alles schiefgehen kann“, sagte Neuhaus. Vor allem, wenn man die Entwicklung des Coronavirus betrachtet. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es weitergeht, wenn die erste Mannschaft betroffen ist, wenn die ersten Spieler ausfallen, wie dann alles geregelt werden soll.“Vermutlich wird so ein 1:1 dann zur kleinsten Nebensache der Welt.