Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Und täglich grüßt der Metzger
Jeden Tag versammeln sich etwa 999 Menschen beim Metzger meines Vertrauens zum Mittagstisch. Mehr lässt der Metzger nicht rein, weil seine Veranstaltung sonst womöglich abgesagt, evakuiert oder desinfiziert würde. Es gibt tolle Sachen bei diesem Fleischereifachverkäufer: Maultaschen, Putengeschnetzeltes, Gulasch, achterlei Salate vom Büfett und natürlich Linsen mit Spätzle – nach Wunsch auch Linsen ohne Spätzle, für alle Menschen, die Kohlehydrate für böse halten respektive Nichtschwaben, die Spätzle mit Vögeln verwechseln.
Seit zwei Jahren gehe ich liebend gern zu diesem Metzger, dennoch bin ich dort nie angekommen, denn fast alle Kunden werden namentlich begrüßt, nur nicht ich. Das sorgt für diverse Probleme: a) Minderwertigkeitskomplexe, b) Das Gefühl, nicht dazuzugehören, ausgeschlossen zu sein, c) Die quälende Frage, ob die Angestellten womöglich ein persönliches Problem mit mir haben. Am besten ist in so einem Fall, Tacheles zu reden, die Seelenpein konkret auszusprechen. „Zu allen sagen Sie den Namen, aber nie zu mir. Was muss ich da tun?“, fragte der Redakteur
also dieser Tage, worauf einige Besucher verwundert und mitleidig schauten, andere lachten.
Jedenfalls ergaben sich witzige Gespräche, die Menschen kamen sich näher. Als ich mit vollem Magen aufbrach, sagten die Angestellten dann aus heiterem Himmel „Auf Wiedersehen Herr Jürgen“, sie haben offenbar Empathie. Ich bin also angekommen beim Metzger, verwurzelt in der Gemeinschaft der Mitesser, endlich ein vollwertiges Mitglied der Mittagspause. (zak)