Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Coronavirus trifft Kulturbetrieb hart
Absagen im ganzen Land – Hilfe für Künstler und Veranstalter gefordert
STUTTGART/BERLIN (dpa/KNA/ epd/sz) - Der Kulturbetrieb wird vom neuartigen Coronavirus schwer getroffen. Es hagelt Absagen von Stuttgart bis Hamburg, von Berlin bis Wien. Theater- und Opernaufführungen fallen wochenlang aus.
Am Staatstheater Stuttgart wird es bis einschließlich 19. April keine Aufführungen geben. Betroffen sind im Dreispartenhaus Oper, Ballett und Theater. Das Theater Ulm hat bis Mittwochabend noch keine endgültige Entscheidung gefällt und setzt derzeit die Aufführungen fort. In Bayern werden bis zum 19. April alle staatlichen Theater, Konzertsäle und Opernhäuser geschlossen. „Mein Verantwortungsgefühl sagt mir, dass diese Maßnahme geboten ist – aber mein Herz für die Kunst blutet“, sagte der bayerische Minister für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler (CSU). Die Bayerische Staatsoper in München will während der Schließung ausgewählte Stücke trotzdem auf die Bühne bringen – vor leeren Rängen. Zuschauer könnten die Aufführungen live übers Internet verfolgen.
Das Opernhaus Zürich und das Schauspielhaus dort halten bislang an den Vorstellungen fest, ebenso das Theater St. Gallen und das Theater und das Konzerthaus Freiburg.
Auch bundesweit und in Österreich häufen sich die Absagen von kulturellen Veranstaltungen. Am
Dienstag wurde unmittelbar vor dem Start das Literaturfestival Lit.Cologne abgesagt. In den großen Berliner Theatern und Opernhäusern wird es bis 19. April keine Veranstaltungen geben. Der Notfallplan der österreichischen Regierung zwingt auch weltbekannte Spielstätten wie das Burgtheater und die Staatsoper in Wien dazu, Aufführungen bis Ende März abzusagen.
Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus treffen den Kulturbereich nach Darstellung des Deutschen Kulturrats stark. „Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen sowie Freiberuflerinnen und Freiberufler haben oft keine finanziellen Polster, um Einnahmeausfälle aufzufangen“, sagte Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Honorare würden oft nur bei der Durchführung von Veranstaltungen fällig.
Viele öffentlich geförderte Kultureinrichtungen befürchten laut Kulturrat, dass öffentliche Mittel von Kommunen, Ländern oder dem Bund zurückgefordert werden könnten, weil sie für bestimmte Vorhaben genehmigt wurden, die nun nicht stattfinden. Rückforderungen könnten sich existenzbedrohend auswirken. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) will Künstler und Kultureinrichtungen bei den Folgen des Coronavirus unterstützen. „Wir müssen auf unverschuldete Härten und Notlagen reagieren und sie ausgleichen“, sagte sie am Mittwoch in Berlin. Die Kulturlandschaft sei durch Ausfälle „schwer gebeutelt“.
In der Hamburger Elbphilharmonie, wo Intendant Christoph LiebenSeutter noch am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“keinen Anlass zu einer Absage von Konzerten sah, fand am Mittwochabend ein Konzert mit James Blunt vor leeren Rängen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Die Sorgen wegen der Ausbreitung des Coronavirus haben auch das oberbayerische Oberammergau erreicht: Dort laufen die Vorbereitungen auf die am 16. Mai geplante Premiere der nur alle zehn Jahre aufgeführten Passionsspiele. „Stand heute gehen wir davon aus, dass die Premiere stattfinden kann“, sagte Sprecher Frederik Mayet am Dienstag. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass das Verbot großer Veranstaltungen über den 10. April hinaus gehe. „Auf diese Situation müssen wir uns vorbereiten.“Der Ursprung der Passion geht auf eine Epidemie zurück: Vor fast 400 Jahren wütete die Pest im Land. 1633 gelobten die Oberammergauer, alle zehn Jahre das Spiel vom Leiden und Sterben Christi aufzuführen, wenn keiner mehr an der Pest sterbe. Insofern haben die Oberammergauer das richtige Spieljahr erwischt.