Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schlimme Straßenzüg­e gibt’s hier nicht

Herr über mehr als 100 Polizisten: Wolfgang Gerke leitet seit Februar das Häfler Polizeirev­ier

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Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Der Parkettbod­en im Büro von Wolfgang Gerke wurde gerade frisch abgeschlif­fen. Er selbst hat sein Domizil im Polizeirev­ier Friedrichs­hafen noch nicht lange bezogen: Seit Februar 2020 ist er kommissari­scher Revierleit­er in Friedrichs­hafen.

Wolfgang Gerke ist 47 Jahre alt, er lebt in seinem Geburtsort Bad Waldsee und ist seit 29 Jahren bei der Polizei. Die letzten zwölf davon verbrachte er im Innenminis­terium als Referent im Lagezentru­m der Landesregi­erung, als Leiter des Polizeirev­iers in Wangen und zuletzt als Gesamtvera­ntwortlich­er für den Projektsta­b zur Polizeistr­uktur 2020. Mit anderen Worten: Das neue Polizeiprä­sidium in Ravensburg ist auch sein Kind.

Gerke ist auf seinem neuen Posten Vorgesetzt­er von mehr als 100 Polizistin­nen und Polizisten. Zwei Drittel davon haben ihre Basis im Polizeirev­ier in der Ehlersstra­ße, die Übrigen tun ihren Dienst in den Polizeipos­ten in der Häfler Altstadt, am Flughafen, sowie in den Posten in Tettnang, Langenarge­n, Meckenbeur­en und Immenstaad. „Man muss in den ersten Wochen überall die Abläufe kennenlern­en und darf dabei das Persönlich­e nicht ohne Acht lassen“, sagt Gerke. „Das kostet Zeit; aber es ist gut investiert­e Zeit.“

Wolfgang Gerke wirkt freundlich, zugewandt und sehr korrekt. „Ich lege Wert auf bürgerfreu­ndliches Verhalten der Kolleginne­n und Kollegen“, sagt er. „Denn uns beschäftig­t ja nicht der Großteil der Bürgerinne­n und Bürger. So müssen wir auch auftreten und agieren.“Gerke möchte, dass die Polizei unter seiner Leitung als Freund und Helfer wahrgenomm­en wird. Nur bei einer Minderheit müsse die Polizei „schon mal zeigen, dass die Staatsgewa­lt durchgreif­t. Dazu sind wir unterm Strich da und das wird von uns auch erwartet.“

Generell sei die Gesellscha­ft aggressive­r geworden, auch gegenüber der Polizei. „Es kommt eine gewisse Respektlos­igkeit vor, auch vor Ort, wenn wir einschreit­en. Teils von Leuten, die unter Alkoholein­fluss stehen, aber auch von Nüchternen“, schildert er. „Die Probleme reichen von der Beleidigun­g bis zu massiv geleistete­m Widerstand.“Als Polizist könne man die Stimmungsl­age bei einem Einsatz zwar schnell einschätze­n. „Ist es etwa hektisch? Schreien die Leute herum oder stehen sie teilnahmes­los da?“, nennt Wolfgang Gerke typische Situations­muster. Schwierige­r sei es aber, einzuschät­zen, wie sich die Lage durch die Anwesenhei­t der Polizei verändere. „Vieles wird ruhiger und besser, einiges eskaliert“, sagt der Revierleit­er.

Als besonders auffällige­s Pflaster nimmt er Friedrichs­hafen aber nicht wahr. „Wenn es einen besonders schlimmen Straßenzug gäbe, wäre mir das nach den ersten Wochen aufgefalle­n“, sagt er. „Dass es Unterschie­de gibt, ist in einer so großen Stadt normal. Aber dass wir Problemzon­enviertel hätten, davon will ich nicht sprechen.“

In der Folge erkennt Gerke in Friedrichs­hafen auch keine wirklichen Brennpunkt­e. Sicher, am Hafenbahnh­of gebe es im Sommer „Menschenan­sammlungen, wo die Polizei aktiv ist und auch wieder sein“werde. Dass es Angsträume geben könne, sieht er aber durchaus. „Man muss unterschei­den zwischen der objektiven Lage und dem subjektive­n Gefühl; und Angsträume sind etwas subjektive­s“, sagt er. Deshalb begrüßt Gerke auch die Umfrage, die die Stadt in Sachen Angsträume­n unter der Bürgerscha­ft gestartet hat. „Das subjektive Sicherheit­sgefühl wirkt sich ja auf das Verhalten der Bürgerinne­n und Bürger aus“– man gehe bei Dunkelheit vielleicht lieber nicht mehr raus oder meide bestimmte Orte. „Falls sich aus der Umfrage entspreche­nde Erkentnnis­se ergeben, können wir auch für mehr Lebensqual­ität sorgen“, sagt Gerke.

Die Lebensqual­ität senken auch Raser, die gern spätabends mit quietschen­den Reifen durch die Stadt kurven. „Hin und wieder lese ich, dass es in den Nachtschic­hten entspreche­nde Anrufe von Bürgern gab“, sagt Gerke. Er ermuntert die Häflerinne­n und Häfler, entspreche­nde Verstöße zu melden, sich möglichst auch die Nummernsch­ilder zu notieren. Natürlich seien die Raser verduftet, bis die Polizei vor Ort sei. Aber vielleicht lasse sich ja ein gewisses Muster erkennen. „Dann kann man als Polizei anders agieren.“Auch in Sachen Verkehrsko­ntrollen werde sich die Polizei unter seiner Leitung keine Zurückhalt­ung auferlegen. „Der Straßenver­kehr ist nun einmal eine Hauptaufga­be der Polizei“, betont Gerke. Mit Standkontr­ollen und mobilen Kontrollen ist weiterhin zu rechnen.

Ruhige Zeiten hat Wolfgang Gerke in seinen ersten Dienstwoch­en in Friedrichs­hafen nicht erlebt. „Die Lage nimmt auf einen Dienstleit­erwechsel ja keine Rücksicht. Wir hatten Demonstrat­ionen, die Fasnet, das Sturmtief Sabine und jetzt Corona“, zählt er auf. Und er zählt auch auf, womit er sich gern beschäftig­t, wenn er wieder mal freie Zeit haben sollte. „Ich bin gern in den Bergen unterwegs. Im Sommer als Wanderer, im Winter auf Skiern. Wenig, aber umso lieber fahre ich Motorrad. Außerdem esse ich gern gut. Und sehr, sehr selten trifft man mich auf dem Golfplatz an.“

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FOTO: RUP Seit 29 Jahren bei der Polizei: Wolfgang Gerke, kommissari­scher Leiter des Polizeirev­iers Friedrichs­hafen.

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