Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ringen um Zusammenhalt
Es ist ein gemeinsamer Vorstoß, auf den in Europa mit Spannung gewartet wurde. Vor einer von allen 27 EU-Staaten getragenen Entscheidung, wie die CoronaKrise abgewettert werden kann, müssen sich eben Frankreich und Deutschland einigen. Sonst ist im komplizierten europäischen Entscheidungsprozess alles einfach Makulatur. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach diplomatisch von einer wochenlangen Arbeit zwischen Paris und Berlin, Angela Merkel unverblümt davon, dass man sich „zusammengerauft“habe.
Der Druck auf beide Regierungen war und ist groß. Paris steht als Synonym für den Süden der EU, der hoch verschuldet ist und keinen finanziellen Spielraum mehr hat. Berlin symbolisiert die Nordländer, die haushaltspolitische Stabilität als Kern ihres Handelns sehen. Tunlichst vermieden die zwei Regierungschefs Formulierungen, die als Befürwortung oder Ablehnung von „Corona-Bonds“oder gar „Eurobonds“verstanden werden könnten. Auf diese Weise lieferten Merkel und Macron die Blaupause für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die bald ihren Rettungsplan vorstellen wird und um den es viel Streit gegeben hat – etwa zwischen Italien und den Niederlanden.
Merkel und Macron schwebt nun ein einmaliger Wiederaufbaufonds vor, mit dem die vom Virus am heftigsten betroffenen Staaten und Regionen arbeiten können. Das Geld soll die EU aufnehmen und langfristig über ihren Haushalt zurückzahlen. Konkrete Projekte sollen finanziert werden, nicht aber der Haushalt einzelner Staaten. Auf diese Weise hoffen Merkel und Macron, dass die EU die schwerste Krise in der Geschichte ihres Bestehens überstehen wird. Dass in Europa längst überwundene Ressentiments schnell wiederkehren können, hat die Corona-Pandemie klargemacht. Franzosen und Deutsche beschimpften sich im Grenzgebiet – wie einst, als sie noch Erzfeinde waren. Das geschwächte Europa braucht den deutsch-französischen Motor dringender denn je. Merkel tut gut daran, Tempomacher Macron zu folgen.