Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Tirol bremst laute Motorräder aus
Österreichisches Bundesland erlässt neues Fahrverbot für bei Zweiradfahrern beliebte Passstraßen
Von Ralf Müller
MÜNCHEN - Die Grenzen zwischen Deutschland und Österreich sind wohl ab 15. Juni uneingeschränkt wieder offen. Gleichzeitig arbeitet die schwarz-grüne Tiroler Landesregierung an zusätzlichen Fahrverboten. Ab dem 10. Juni werden dort bestimmte bei Motorradfahrern beliebte Straßen für „besonders laute Motorräder“gesperrt, teilte die Tiroler Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe (Grüne) mit.
Für Österreich ist diese Art von Fahrverbot eine Premiere. Es trifft Motorräder, die laut Zulassung einen Nahfeld-Lärmpegel von über 95 Dezibel aufweisen. Sieben Prozent der in der Alpenrepublik zugelassenen Motorräder sind davon betroffen, etwa 4400 Maschinen. In Deutschland dürfte ihre Zahl weitaus größer sein.
Egal, in welchem Land die Zweiräder zugelassen sind, über die beliebten Strecken der Bschlaber-, der Hahntennjoch-, der Lechtaler-, der Berwang-Namloser und der Tannheimerstraße dürfen sie in diesem Sommer nicht donnern. Sonst riskieren die Fahrer ein Bußgeld von 220 Euro – und zwar selbst dann, wenn sie auf hochtouriges Fahren und schneidiges Beschleunigen verzichten: Es gilt der in der Zulassung eingetragene Lärmpegel. Das Fahrverbot
gilt zunächst bis 31. Oktober, und zwar auch für Anlieger der genannten Straßen.
In Bayern hält man wenig von dieser Methode, den Straßenlärm zu reduzieren. Grundsätzlich seien streckenbezogene Verkehrsverbote aus Gründen des Lärmschutzes nach der Straßenverkehrsordnung zwar möglich, dabei werde aber nicht auf einzelne Fahrzeuge geschaut, sondern auf die Lärmimmissionen insgesamt, teilte das Bayerische Innenministerium mit. Es erscheine wenig sinnvoll, Fahrverbote mit bestimmten Fahrzeugmodellen zu verknüpfen, da die Lärmentwicklung „maßgeblich vom Fahrverhalten“abhänge, so ein Sprecher von Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
Auch im bayerischen Alpenraum gibt es Strecken, die bei Motorradfahrern besonders beliebt sind, etwa der Oberjochpass im Allgäu oder die Sudelfeld- und die Kesselbergstraße in Oberbayern. Auf den kurvenreichen Straßen bei Bayrischzell und zwischen Kochel und Walchensee ereigneten sich in der Vergangenheit immer wieder schwere Motorradunfälle. Die Kesselbergstraße ist daher an Wochenenden für Motorradfahrer bergwärts gesperrt.
Erst in der vergangenen Woche hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Gespräch mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Erwartung geäußert, dass nach der Corona-Krise auf die zwischen beiden Ländern umstrittene Lkw-Blockabfertigung und die zeitweisen Verbote, die Transitautobahn zu verlassen, verzichtet werden könnte.
Danach sieht es jedoch nicht aus. Obwohl die pandemiebedingten Grenzkontrollen erst am 15. Juni wegfallen sollen, hält die Tiroler Landesregierung an den 35 für das laufende Jahr geplanten Lkw-Blockabfertigungen („Dosierungen“) fest. So wurde an diesem Freitag die Einreise von Lastwagen nach Tirol bei Kiefersfelden/Kufstein „dosiert“. Seit März ist dafür ein automatisches Steuersystem installiert.