Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zeltlager sollen trotz Corona stattfinden
Arbeitskreis einigt sich auf neue Regeln – Maximal 100 Teilnehmer pro Gruppe möglich
Von Kara Ballarin
STUTTGART - Ob Zeltlager am Bodensee oder Feriencamp auf der Alb: Selten waren Sommerfreizeiten für Kinder und Jugendliche so wichtig wie in diesem Jahr, sagen Experten der Jugendhilfe. Viele Eltern hätten ihren Urlaub während der CoronaKrise zur Betreuung ihrer Kinder verwendet. Die Kinder selbst lechzten nach Abenteuern mit Gleichaltrigen, nachdem sie über Wochen kaum Kontakt zu anderen Kindern hatten. Trotzdem haben bereits etliche Träger ihre Angebote für den Sommer gestrichen, weil ihnen die Planungssicherheit fehlte. Andere warten immer ungeduldiger auf neue Vorgaben vom Land, wie sie ihre Freizeiten trotz Hygiene- und Abstandsvorgaben gestalten können. Das Konzept steht und liegt der „Schwäbische Zeitung“vor. Es soll Mitte Juli, also rechtzeitig zu den Sommerferien, in Kraft sein.
Die aktuell geltenden Regeln für Kinder- und Jugendarbeit sind streng. In der entsprechenden Corona-Verordnung des Sozialministeriums heißt es etwa: maximal 15 Personen in einer Gruppe – inklusive Betreuer –, keine gemeinsamen Übernachtungen. Für viele Freizeiten würde dies das Aus bedeuten. Seit Wochen arbeiten Ministerium sowie Träger und Organisationen der Jugendarbeit an einem neuen Konzept. Es soll den Infektionsschutz im Blick haben, aber manche Vorgaben lockern.
Entstanden ist ein Arbeitspapier, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. Es sieht unter anderem eine schrittweise Erweiterung der Gruppengrößen vor. „Als letzte Ausbaustufe mit Gültigkeit für die Zeit der Sommerferien in Baden-Württemberg soll die Beteiligtenzahl auf bis zu 100 Personen (...) pro Angebot festgelegt werden.“
Es werden auch weiter Hygieneund Abstandsregeln zu beachten sein. Eine Ausnahme bilden solche Feriencamps, die etwa als Zeltlager stattfinden. Übernachten die Teilnehmer gemeinsam in Zelten, solle darauf geachtet werden, „die Belegung pro Zelt auf das mögliche Minimum zu reduzieren“. Im Idealfall soll jedes Kind ein eigenes Zelt nutzen. Geht das nicht, sollen die Kinder nicht Gesicht an Gesicht, sondern um 180 Grad versetzt schlafen. „Die Erziehungsberechtigten sind im Vorfeld darüber schriftlich zu informieren, dass während der Übernachtung in Zelten gegebenenfalls die Abstandsregelungen nicht eingehalten werden können.“
Für etliche Anbieter von Ferienfreizeiten kommt das zu spät, weiß Kristina Reisinger vom KVJS, dem Landesjugendamt. Genaue Zahlen könne sie nicht benennen. Ihre Schätzung nach sehr vielen Gesprächen: Etwa die Hälfte der Angebote könnte flach fallen. „Bei uns werden deutlich weniger Fördermittel abgerufen als in den vergangenen Jahren“, sagt Reisinger. Für die Eltern, vor allem aber für die Kinder seien das schlechte Nachrichten, betont sie.
„Wir haben Bezirksjugendwerke, die ihre gesamten Freizeiten bereits gestrichen haben“, sagt auch Dieter Braun, Leiter des Evangelischen Jugendwerks Württemberg. Allein an den Freizeiten der Evangelischen Jugendarbeit in Württemberg nähmen nach jüngsten Zahlen pro Jahr 54 000 Kinder teil. Waldheime und Freizeiten ohne Übernachtung dazu gezählt, erhöhe sich die Zahl der Teilnehmer um weitere 18 500.
An der Nachfrage nach Angeboten mangele es generell nicht. „Die Not ist riesig“, so Braun. „Eltern haben keinen Urlaub mehr, Jugendliche werden unruhig, Anmeldungen gehen stetig ein.“Freizeiten, die nicht abgesagt sind, seien zum Teil massiv überzeichnet. „Uns brechen nicht nur die Teilnehmerplätze weg, sondern jetzt auch noch Mitarbeiter“, sagt Braun. In den Freizeiten engagierten sich sehr viele Ehrenamtliche. Für viele heiße es im Sommer: Lernen und Prüfungen schreiben statt Kinder betreuen.
„Die Ehrenamtlichen haben eine wahnsinnige Verantwortung zu tragen“, sagt SPD-Generalsekretär Sascha Binder. Der Landtagsabgeordnete aus Geislingen engagiert sich selbst jedes Jahr als Betreuer von Ferienlagern zweier Sportvereine. „Manche Angebote wären vielleicht zu retten gewesen, wenn sich das Sozialministerium früher gekümmert hätte“, sagt Binder. Er fordert, dass zumindest die Fördergelder an die Anbieter ausbezahlt werden – ganz gleich ob sie Freizeit anbieten, für die sie einen Antrag gestellt hat, oder sich eine Alternative ausdenken. „Die Zuschüsse müssen trotzdem gezahlt werden, auch wenn eine Organisation ihr Angebot absagt.“
Dass die Erarbeitung der Rahmenbedingungen zu lange gedauert habe, weist Jürgen Dorn von sich. Als Geschäftsführer des Landesjugendrings war er Teil der Arbeitsgruppe, die das Öffnungskonzept erstellt hat. „Es wird Einschränkungen geben“, sagt er mit Blick auf den Sommer. Ein lange geplantes Großtreffen von 6000 Pfadfindern im Landkreis Ravensburg könne so natürlich nicht stattfinden. Aber, so Dorn: „Die Rahmenbedingungen werden so sein, dass alle Maßnahmen, die bisher in den Sommerferien gelaufen sind, trotzdem stattfinden können.“