Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
SPD-Minister widersprechen Parteichefin Esken
Vorwurf des „latenten Rassismus“in der Polizei ärgert Innenpolitiker – Vorsitzende besucht Polizeiakademie
Von Klaus Wieschemeyer
BERLIN - SPD-Parteichefin Saskia Esken stößt mit ihrer Aussage von einem „latenten Rassismus“in den deutschen Sicherheitsbehörden parteiintern auf heftigen Widerspruch.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht wies die Vorwürfe am Dienstag ebenso zurück wie der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Ressortchef Georg Maier, oder sein niedersächsischer Kollege Boris Pistorius (alle SPD). Die absolute Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten hat mit Rassismus absolut nichts am Hut“, sagte Lambrecht der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Ein besonderes strukturelles Problem sehe sie nicht.
Maier verwahrte sich ebenso gegen den Vorwurf des latenten Rassismus. „Es gibt keine Rechtfertigung dafür, die Integrität unserer Polizei strukturell in Frage zu stellen“, sagte der aus Singen am Hohentwiel stammende Politiker der Funke-Mediengruppe.
Und Pistorius lud seine Parteichefin in die niedersächsische Polizeiakademie ein, „um ihr einen Eindruck von der Ausbildung und unseren Programmen zu geben“, wie er dem „Spiegel“sagte. Der Polizei unter „ungerechtfertigten Generalverdacht“zu stellen, sei falsch.
Hinter den Einlassungen steckt auch eine handfeste Sorge, die Parteilinke Esken könne bei dem Versuch, die Partei für ein rot-rot-grünes Bündnis aufzuhübschen, bürgerliche SPD-Wähler nachhaltig verprellen. Die Esken-Kritiker wünschen sich die SPD als Kümmererpartei, die einen starken Staat nicht nur in der Wirtschaftspolitik, sondern auch in der inneren Sicherheit fordert. Und dies umfasst ausdrücklich auch eine starke Polizei. Insbesondere im Landesverband
von Pistorius ist man deshalb entsetzt: Der niedersächsische SPD-Landesvorsitzende und Ministerpräsident Stephan Weil hatte sogar vor der Wahl der Württembergerin Esken gewarnt. Es ist kein Wunder, dass sich am Dienstag ein weiterer prominenter Kritiker aus dem Landesverband zu Wort meldete: Ex-Parteichef Sigmar Gabriel kritisierte, dass sich die Parteispitze nicht für eine Autokaufprämie stark gemacht hat. Viele empfänden die SPD-Politik „inzwischen als elitär“, schimpfte er bei T-Online.
Esken nahm die Pistorius-Einladung übrigens an: Am Donnerstag will sie nun zusammen mit dem Innenminister die Polizeiakademie besuchen. „Ich freu mich drauf!“, twitterte sie.