Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Andreas Stoch wird Matrose für einen Tag
Der Fraktionschef der SPD im Landtag taucht bei den Schiffsbetrieben in den Beruf ein
Von Sieg fried Großkopf
FRIEDRICHSHAFEN/KONSTANZ Der Fraktionschef der SPD im Stuttgarter Landtag, Andreas Stoch, ist am Donnerstag auf dem Motorschiff „Baden“zwischen Friedrichshafen und Konstanz in den Beruf des Matrosen eingetaucht. Wie schon um die 20-mal zuvor will der ehemalige Kultusminister und heutige Oppositionsführer nicht nur in den Akten über Berufe lesen, sondern selbst erleben, welche Probleme Arbeitnehmer ganz praktisch zu bewältigen haben.
Fast hätte man ihn nicht erkannt. Mit Mundschutz, in Schaffer-Hose und einem Shirt der Konstanzer Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) steckend, hätte man Andreas Stoch glatt für einen Schiffsanbinder halten können, als er am Morgen beim Ablegen im Häfler Hafen den ersten Rundgang auf dem traditionsreichen Schiff absolviert. Unter dem Motto „Stoch packt’s an…“will er den Alltag vom Azubi bis zum Schiffsführer kennenlernen. Nicht in Anzug und Krawatte, sondern in Schaffer-Kluft. Im Unterschied zu seinen früheren Berufserkundungen diesmal erschwerend in der Corona-Zeit.
„Ich bin hier, um zu lernen“, sagt der Politiker, der bisher schon in die Rollen von Bäcker, Metzger, Bademeister, Gärtner, Schornsteinfeger, Altenpfleger, Rettungssanitäter, Maler, Bio-Bauer, Fahrradkurier und Verkäufer auf dem Wochenmarkt geschlüpft ist. Am Donnerstag traf man Stoch bei der Fahrt entlang des Bodenseeufers nicht nur beim Schiffsführer und Steuermann, sondern auch mit Desinfektionsmittel in der Hand auf den einzelnen Schiffsetagen, um persönlich Hand anzulegen.
Er hat am eigenen Leib schon den Paketboden- und Parkettleger-Job erlebt und weiß mit den Berufe-Themen im Parlament ganz anders umgehen zu können, weil er sie unmittelbar erlebt und von Praktikern geschildert bekommen hat. Nach seinem „Matrosen-Praktikum“steht demnächst übrigens der Beruf des Fensterputzers auf seinem Programm.
Seit Corona ist auch auf dem See alles anders: Im Gegensatz zu den Schiffen der Weißen Flotte aus Österreich und der Schweiz fahren die Deutschen noch nach dem Frühjahrsfahrplan. Nach dem kommenden Wochenende wird in Konstanz entschieden, ab wann man ebenfalls nach dem Sommerfahrplan unterwegs sein wird – und hofft dabei, dass die sonnigen Wetteraussichten ab der kommenden Woche eintreffen und die Schiffe füllen.
Wie BSB-Geschäftsführer Frank Weber der SZ sagt, leidet man nicht nur unter dem späten Saisonbeginn mit den dadurch zu erwartenden finanziellen Einbußen, sondern auch darunter, dass jedes Anrainerland nach eigenen Konzepten fährt. So muss beispielsweise auf den Schweizer Schiffen kein Mundschutz getragen werden, während man auf der „Baden“immer wieder auf dessen Tragen hingewiesen wird. Dazu, die unterschiedlichen Corona-Regeln auf dem Bodensee zu vereinheitlichen, kann die Landesregierung kaum beitragen. Wie Andreas Stoch der SZ sagt, sollte man sich darüber in der Internationalen Bodenseekonferenz
verständigen. Bekanntlich ist auch in Deutschland kein einheitliches Vorgehen während der Pandemie gelungen. Auch auf dem Bodensee nicht.
So feiert man auf dem Untersee heute eine „Sternfahrt“, die im April auf dem See insgesamt wegen Corona ausgefallen ist.