Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Angeklagter bleibt Gerichtsverhandlung fern
Telefonisch meldet er sich nach Sitzungsbeginn krank – Die Polizei klingelt vergeblich an seiner Tür
FRIEDRICHSHAFEN/TETTNANG (sig) - Alle waren da. Nur der Angeklagte nicht. Wegen des Erschleichens von Betäubungsmittelverschreibungen in 120 Fällen sollte er sich am Dienstag vor dem Amtsgericht Tettnang verantworten. Doch das Schöffengericht wartete vergeblich. Samt Verteidiger. Auch er wusste nichts über den Verbleib seines Mandanten.
Dabei schien der Prozess kurz nach Sitzungsbeginn um 9 Uhr Fahrt aufzunehmen, als plötzlich der Wachtmeister den Saal 4 im Neuen Schloss betrat. Doch der übermittelte die Nachricht, dass der Angeklagte im Moment angerufen habe – und krankheitshalber nicht kommen werde.
Glaubwürdig erschien Richter Peter Pahnke die Begründung nicht. Er ordnete an, den „kranken Arbeitsunfähigen“von der Polizei vorführen zu lassen, und unterbrach, was noch gar nicht begonnen hatte. Nach einer halben Stunde dann die Mitteilung, dass die Vorführung gescheitert ist. Die Polizeibeamten haben vergeblich an der Wohnung des nicht Erschienen geklingelt, geöffnet hat keiner.
Weil jeder ordnungsgemäß Geladene die Verpflichtung hat, vor Gericht zu erscheinen, und erst recht eine angebliche Erkrankung nicht geeignet ist, dem Termin fernzubleiben, ordnete der Vorsitzende an, den Angeklagten in Haft zu nehmen und einen neuen Hauptverhandlungstermin
festzusetzen. „So ist es halt. Manchmal muss man den Hund zum Jagen tragen“, konstatierte Richter Peter Pahnke – und verabschiedete sich unverrichteter Dinge von Schöffinnen, Staatsanwältin und Verteidiger. Auffallend: Dass zum Gericht Geladene der Aufforderung fern bleiben, häuft sich in jüngster Zeit. Mal sind es Zeugen, dann sogar ein Nebenkläger-Vertreter oder wie am Dienstagmorgen der Angeklagte, die Vorladungen nicht nachkommen.