Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
In Überlingen werden essbare Schnecken gezüchtet
Besuch auf der Linzgauer Schneckenfarm: Der Klimawandel ist auch für die Tiere eine Herausforderung
Von Kirsten Lichtinger
ÜBERLINGEN - Die Linzgauer Weinbergschnecken von Andres Hertrich fühlen sich auf dem naturbelassenen Gelände der Schneckenfarm am Rande von Andelshofen pudelwohl. Große Disteln, trockene Grashäufen und verschiedene Sträucher sorgen nicht nur für genügend Abwechslung, sondern auch für den Sichtschutz vor den gefräßigen Störchen, die öfter nach den leckeren Kriechtieren Ausschau halten. Dazwischen locken Stellen mit frisch gemähtem Gras, das besonders bei feuchtem Wetter sehr beliebt bei den Schnecken ist.
Das Biotop schätzen auch Bienen, Schmetterlinge, Grillen und viele andere Insekten. „Meine Idee war, auf heimische Pflanzen zu setzen, die auch mal mit Trockenheit gut umgehen können“, erklärte Hertrich bei einer Führung des Bodensee-Linzgau Tourismus-Vereins am Mittwochabend. 30 Teilnehmer, darunter nicht nur Touristen, sondern auch einheimische Gäste, hatten sich angemeldet.
Der gelernte Gemüsegärtner züchtet seit sieben Jahren Weinbergschnecken. Sein Startkapital: rund 40 000 Zuchtschnecken, die er 2013 auf dem Gelände ausgesetzt hat. Wie viel Tiere heute hier leben, kann er nur schätzen. „Immerhin befinden wir uns in der heißen Phase des Schneckenjahrs, das heißt die zwittrigen Schnecken sind gerade paarungswillig“, freute sich der Züchter.
Nach vier Wochen legt eine Schnecke bis zu 65 erbsengroße Eier in einer Erdhöhle ab. Ende Juli schlüpfen dann die ersten Jungtiere, die noch durchsichtig sind. „Zu den größten Feinden zählen Störche, aber auch Mäuse, Maulwürfe und Nacktschnecken“, weiß Hertrich. Dann gehe es darum, den folgenden Winter zu überstehen. „Auch Spätfröste sind für die kleinen Schnecken gefährlich“, ergänzte er.
Der Klimawandel mit seinen immer heißeren Sommern ist für seine Schneckenzucht eine Herausforderung. Das viel zu trockene Jahr 2018 habe eine ganze Generation gekostet. „Normalerweise entnehme ich pro Jahr zwischen 5000 und 10 000 Tiere“, so Hertrich. Das sei vor zwei
Jahren nicht möglich gewesen. Seine Schnecken müssen es aber aus eigener Kraft packen. „Ich züchte eben Andelshofener Trockenschnecken“, sagt er schmunzelnd.
Seine Abnehmer sind Gastronomen in der Region. Das heißt: Die Schnecken müssen küchenfertig, also vakuumiert und gefroren, geliefert werden. Vorher bereitet Hertrich die Schnecken in einer kleinen Gewerbeküche entsprechend auf. Sie kommen acht Minuten in das kochende Wasser, innerhalb einer halben Minute sind sie allerdings bereits tot. Erst, nachdem sie länger in einem Sud gekocht wurden, werden sie weiterverarbeitet. Die Gäste im Restaurant schätzen sie als Schneckenmaultäschle, als Schneckenleberwurst
mit Crostini oder als klassische Weinbergschnecken mit Knoblauchund Kräuterbutter im Pfännchen.
Nützlich ist auch der Schleim der Schnecken. „Darin befinden sich Stoffe, denen Heilkräfte nachgesagt werden, weshalb zwischenzeitlich wissenschaftliche Untersuchungen dazu stattfinden“, erklärte der Schneckenzüchter.
Die frei lebende Weinbergschnecke steht unter Naturschutz. „Wenn man sie im Garten findet, einfach leben lassen, sie richtet keinen großen Schaden an“, empfiehlt Andres Hertrich. Sie kann in der Natur bis zu 25 Jahre alt werden, auf seiner Schneckenfarm leben die Tiere rund fünf Jahre.